a ar 1 Ie 2 ETF, 2 r Sr — —̃—7‚— * I. u * | F Seer DEUTSCHE LITTERATURDENKMALE DES 18. JAHRHUNDERTS IN NEUDRUCKEN HERAUSGEGEBEN VON BERNHARD SEUFFERT EN et u OTTO ER SPIE L g VON N \ * FE M“ KLINGER STUTTGART G. J. GÖSCHEN’SCHE VERLAGSHANDLUNG. 1881 Klingers Otto' ist nur einmal erschienen. Der Dichter schloss sein Erstlingsdrama von seinem The- ater’ wie von der Sammlung seiner ‘Werke’ aus. Wenige Exemplare der einzigen Ausgabe sind erhalten. Das Bedürfnis nach einem Neudrucke derselben machte sich um so fühlbarer, je häufiger in den letzten Jahren auf die hervorragende geschichtliche Stellung des Trauer- spieles hingewiesen wurde. Nachdem R. M. Werner im V. Anhang zu seiner Sehrift über L. Ph. Hahn (Quellen und Forschungen XXII. Strassburg 1877. S. 117 ff.) die Wahnsinn- scenen im ‘Otto’ auf ihre Vorbilder geprüft hatte, gab er gelegentlich einer Anzeige (Zeitschrift für die österreich. Gymnasien. 1879. S. 276 ff.) neben allge- meineren Bemerkungen eine Skizze der litterarischen Ab- stammung einzelner Züge und Gestalten der Dichtung aus Lear, ‘Hamlet’, ‘Götz’ und ‘Ugolino”. Inzwischen hatte E. Schmidt in seinem Vortrage über Klinger das Drama mit scharfen Strichen charakterisiert (Lenz und Klinger. Berlin 1878. S. 80 u. 5.). Neuerdings wies O. Brahm (Das deutsche Ritterdrama des 18. Jahrhunderts. Quellen und Forschungen XL. Strassburg 1880. S. 73 ff. u. ö.) dem ‘Otto’ seine Stelle unter den Ritterstücken an; indem er die sich kreuzenden Handlungen zerlegte, konnte er die Motive im einzelnen verfolgen und genauer bestimmen, was die Tragödie aus ‘Götz’, ‘Lear’, Othello“, ‘Hamlet’ und ‘Macbeth’ entlehnt hat. Gleichzeitig gab M. Rieger in seinem Buch über Klinger in der Sturm- und Drangperiode (Darmstadt 1880. S. 37 ff. u. 62 ff.) neben einer wolgelungenen Darstellung des verwickelten IV Inhaltes eine treffende Beurteilung und Würdigung des Dramas. Die Zeitgenossen des Dichters haben sofort erkannt, dass Klinger sich von Goethe und Shakespeare zu seinem ‘Otto’ hat anregen lassen. Betont — um nur zwei Recensionen herauszugreifen — Der Teutsche Merkur (1775. III S. 178 fl.) mehr die Abhängigkeit des Dramas vom ‘Götz’, so legt die wertvolle Anzeige in Schirachs Magazin der deutschen Critik (IV 2 8.58 fl.) mehr Gewicht auf die Nachahmung des Lear. ‘Otto’ führt mit wuchtigem Schritt den Reigen der Nach- ahmungen von Goethes ‘Götz’ an. ‘Otto’ zählt zu den interessantesten Dramen, welchen die in Deutsch- land erwachte Shakespeare - Begeisterung als Leitstern diente. (Vgl. C. C. Hense im Jahrbuch der deutschen Shakespeare - Gesellschaft. Bd. V S. 118.) Man darf es sich nicht verhehlen, die äussere Entlehnung hat an der Schöpfung des ‘Otto’ nicht wenig Teil; daher der erstaunliche Reichtum an Motiven, deren Durch- führung und dichterische Verwertung gerade durch das überfliessende Mass verhindert wird. Ein weniger ver- schwenderischer Poet hätte mit den angeknüpften Ver- wieklungen wol vier Dramen ausgestattet. Dass das traurige Geschick Hungens mit der Haupthandlung, dem tragischen Zwist des Herzogs und seines Sohnes in keiner Verbindung steht, fällt sofort auf. Des Titel- helden unglückliche Liebe zu des Herzogs Tochter streift beide Ereignisse nur an der Peripherie. Fast selb- ständig ist auch der vierte Konflikt: die Verschwörung des zweiten Sohnes und der Bundesgenossen gegen den Herzog. Die willkürliche Verkettung dieser Glieder er- scheint noch verwirrter, weil der Dichter die Trieb- federn der neben einander laufenden Räder zum Teil erst spät und flüchtig zeigt. Dazu kommt die Häufung der Ursachen, die Wiederholung von Motiven und Namen, die auf mehrfachen Intriguen beruhende Steigerung der Konflikte. Es tritt uns entgegen ein Gatte, der die v Ehre seines Weibes schützend grausamen Tod erleidet; ein Vater, der mit dem geliebten Sohne sich entzweit, weil dieser die Tochter seines Feindes ehelicht; ein Sohn, der über den Vater und älteren Bruder hinweg auf den Thron strebt; ein Liebender, der in falscher Eifer- sucht den edel entsagenden Freund verkennt und seine Treulosigkeit durch Selbstmord sühnt; ein Vasall, der aus Rachsucht und Ehrgeiz seinen Herzog vernichtet; ein Bischof, dessen ränkevolle Politik den Bundes- genossen stürzt; ein treuer Rat, den für gerechten Widerspruch Verbannung trifft; zwei Paare ungleicher Brüder sehen wir auf der Bühne, von zwei anderen hören wir: kurz, bis auf die Handlungen der Neben- personen erstreckt sich der Versuch, durch eigene Be- weggründe jeden Vorgang zu erklären. Und selbst über den Kreis hinaus, der zu den tragischen Verwicklungen in Bezug steht, deutet Klinger eine individuelle Färbung an. Um so notwendiger scheitert die Durchführung einer scharfen Charakteristik. Das Uebermass des Thatsäch- lichen überflutet die feinere Durchbildung. Gerade dadurch aber trägt das Trauerspiel in hervorragendem Grade die dichterische Eigenart der Sturm- und Drang- zeit zur Schau und ist eine wahre Sammelstätte der in jener Periode beliebten Motive. So wurde ‘Otto’ wichtig für die Litteratur von dem zeitgenössischen Maler Müller an, dessen dramatische Fragmente in engster Beziehung zu Klingers Tragödie stehen, bis zu dem Vollender der Ideen der Geniezeit, bis zu Schiller, dessen ‘Räuber’ und ‘Fiesko’ an das Ritter- drama anklingen. (Vgl. O. Erdmann im Anzeiger für deutsches Alterthum und deutsche Litteratur Bd. V S. 379.) Aber nicht nur der Stoff, auch die Art der Darstellung ist von grösstem Interesse, obschon sie aller Kunstregeln spottet. Hier zeigt Klinger, dass er auch innerlich seine Muster sich anzueignen verstand, dass er leidenschaftlich hingerissen ganz in ihnen auf- ging, wie denn seine Helden weniger je einem be- v stimmten Vorbilde folgen als vielmehr der Zusammen- setzung und Mischung mehrerer ihr Gepräge verdanken. Manche Scenen beweisen des Dichters originale Kraft aufs glücklichste. Zudem ist ja der ganze Stoff von Klinger erfunden und nicht aus der Historie entlehnt. Freilich entbehrt darum auch diese dramatische Ge- schichte des zeitlichen Kolorites. Das Stück war kein blosser Nachhall eines dagewesenen, es war ein Schritt weiter, unvorsichtig und unsicher, aber kühn, nen und in grossem Sinn gethan. Ueberwältigt vom Affekt wird Klinger nicht Herr seiner Gestalten, nicht Meister seiner Situationen. Schon äusserlich verrät sich der Mangel an Technik. Der Neudruck durfte die ungleichmässige Behandlung der Vermerke über Scenen- und Personenwechsel u. dgl. nicht besser in Einklang bringen, als es durch die typographische Einrichtung ohne Zusätze und Abstriche möglich war. Wenn gleich im Personenverzeichnis Normann als Angehöriger von Adelberts Hof aufgeführt wird, so ist das ungenau. Als Normann auftritt, be- findet er sich allerdings beim Bischof und ist sein Parteigänger; aber er lebt an des Herzogs Hof, wie 8. 9 Z. 31 f. und S. 11 Z. S ergibt. Der Abdruck musste dergleichen Unebenheiten bewahren. Er gibt das Origi- nal, das mir durch die Freundlichkeit des H. Dr. Rein- hold Köhler in einem Exemplare aus dem Besitz der grhgl. Bibliothek zu Weimar vorlag, getreu wieder. Das Titelkupfer, das auch den ersten Druck des leidenden Weibes’ ziert, zeigt eine auf einer Rasenbank sitzende, halbnackte weibliche Gestalt, welche einem nackten vor ihr auf dem Boden sitzenden Kinde Blumen reicht; links eine Urne, rechts ein Baum. Der Text füllt 184 Seiten in 8°, deren Beginn der Neudruck in Klam- mern angibt. Die Verbesserungen des Textes, die Klinger selbst angezeigt hat, sind natürlich aufgenommen. Doch sind damit nicht alle Druckfehler beseitigt. Im Neudruck VII ist geändert: S. 12 Z. 17 immer zu aus immerzu | 8. 14 Z. 7 Normann aus Normaun [S. 19 Z. 13 Laßt's aus Laß'ts | S. 21 Z. 19 werdet's aus werdert's | S. 29 Z. 23 dem aus den | S. 31 2. 1 Verzeihung aus Ber- zeihung | S. 36 2. 9 fiele aus fieln | S. 37 Z. 11 zu⸗ rück aus zu⸗ zurück S. 38 Z. 13 Horch aus Hooch 8. 42 Z. 29 ſuch' aus jeh’ | 8.46 2. 33 Strenge aus Sternge 8. 49 Z. 9 2. Reuter aus 2 Reuter zumal die Kustode 2. Reuter hat | S. 67 2. 29 iſt's? Was aus iſts's? Was S. 80 Z. 15 des aus der da nicht der Sohn sondern der Vater verbannt ist und überdies drei Zeilen weiter unten des wiederholt wird | S. 84 Z. 16 in aus im S8. 86 Z. 23 Fingern aus Fiugern | S. 91 Z. 15 Advokat aus Adelbert da dieser nicht zwischen dem 2. Auftr. des IV. Aufz. und dem 1. des V. Aufz. die Reise nach Rom und zurüek gemacht haben kann. (Der alte Hungen reist dahin zwischen I,5 und III, 1, der junge Hungen von dorther zwischen III, 1 und IV, 3.) An sich wäre es ja wünschenswert, dass durch Adelberts Eingreifen Hungens Tod mit der übrigen Handlung wieder etwas verbunden würde. So aber muss man einen durch den gleichen An- und Auslaut veranlassten Druckfehler an- nehmen S. 96 Z. 4 1. Mörder aus J Mörder | S. 99. Z. 26 Aufmunterung aus Anfmunterung Mehrmals musste der Interpunktion nachgeholfen werden. So fehlt im Original dreimal der Punkt nach den Namen der sprechenden Personen; ferner die Interpunktion nach 8. 18 Z. 4 was) [S. 30 2. 27 Rothenburg S. 37 Z. 22 Hauptmann | S. 50 Z. 14 losreißen S. 53 Z. 24 Zähnen) S. 53 Z. 31 Löchern | S. 60 Z. 34 Wangen | S. 78 Z. 18 wiſſen | S. 85 Z. 22 Unglück] S. 97 Z. 3 ſchläft Weiter- hin verbesserte ich: S. 25 Z. 12 nach! aus nah? S. 27 Z. 23 ſieht, Karl aus ſieht Karl, | S. 47 2. 4 gehen! aus gehen? S. 47 Z. 34 Gebhard. aus Gebhard, S. 52 Z. 8 dir! aus dir? S. 79 2. 25 Ludwig! aus Ludwig? S. 96 Z. 13 Rudolph! Bluthund, aus Rudolph, Bluthund! S. 104 Z. 33 Burſche aus Burſche, S. 107 2. 9 mir! VIII aus mir? Müsste in einem Neudrucke nicht alles wiedergegeben werden, was sich nicht unverkennbar als Versehen offenbart, so würde noch manche Stelle als vermutlicher Druckfehler zu behandeln sein. So empfiehlt sich vielleicht zu lesen S. 7 Z. 2 leben statt loben S. 16 Z. 4 f. gepezt statt gehezt vgl. S. 51 2.13 8. 29 Z. 3 Sommer - Hige statt Sommer, Hitze [S. 53 2. 31 spricht entweder Gebhard, der ja auch gleich darnach das Wort führt, alles oder die beiden ersten Worte werden von allen, die Worte Mäuſe bis heraus von Blunt gesprochen, da der Singular haut auf einen einzelnen Sprecher deutet, auch nicht wol alle Blunt anrufen können S. 60 Z. 30 spricht wol Konrad. Die orthographische Regellosigkeit des ganzen Druckes verbot jede Korrektur der seltneren Schreibung nach der häufigeren, so dass selbst ſſ, wo es bei Silbentren- nung ß zu vertreten scheint, beibehalten werden musste. Der Neudruck sollte nicht eine kritisch gereinigte Aus- gabe werden. Würzburg, November 1880. Bernhard Seuffert. Berichtigungen. S. 40 Z. 10 lies Giſelle] S. 53 Z. 26 Horft! | S. 71 Z. 17 wieder, S. 91 Z. 28 Gnaden S. 103 Z. 12 innre. S. 104 Z. 25 Norm. Otto. Ein Trauerſpiel. Titelkupfer. Leipzig, in der Weygandſchen Buchhandlung. 1775. [3] Perfonen. — — Herzog Friedrich. Karl, ſein älteſter Sohn. Adelheide, Karls Gemahlinn. Konrad, des Herzogs jüngſter Sohn. Giſella, ſeine Tochter. Ihr Mädchen. Otto, Ritter an des Herzogs Hofe. Kanzler des Herzogs. Adelbert, Biſchof. von Wieburg, ſein Rath. Andre Räthe. Graf normann. Gianetta, Italienerinn. von Hungen, ehemaliger Vaſall des Biſchofs. Maria, Hungens Frau. Konrad. Franz. Hans. Kleines Mädchen. Graf Ludwig. Gebhard. Rudolph. In Karls Dienſten. Blunt. von Walldorf. Ein paar Hauptleute. Verſchiedene Reutersknechte. Konrads Leichtvater. Einſiedler. 5. Inqnuiſition. Ein altes Weib. Georg, ein Wahnwitziger Seine Mutter. Veit, Herzog Friedrichs Knecht. Hans. \ Ehrifloph. f Mörder. Zween andre Ein Unbekannter. Ein Junge. Seine Kinder. An Adelberts Hofe. 1* Md er er n Nn e eee ul . iin he * Kur 4 2 * 0 ue 1 Mom HA. * 3 g una i area! „ir * * ’ NI DE I. mie No 4 Nase rn tar I . ; Bas)! A iR send NE | You e „aun VL lie Se inn aun an IT: 5] . Erſter Aufzug. | Erſter Auftritt. Biſchof Adelbert. von Wieburg. Räthe. Adelbert. Der von Hungen hat ſich alſo nicht gegeben? von Wieburg. Nein. Er ſagte, ein edler Ritter könne das nicht, der glaube er zu ſeyn, und braver Kerl dazu. Adelbert. Sein Vermögen fällt uns zu. Noch zu wenig für ſeine Strafe! Nehmt ihm alles, und denn treffe ihn der Bann! Euch, von Wieburg, übergeb ich's. Thut's und überlaßt ihn der Erde als einen Verbannten von uns und Verfluchten bis zur künftigen Reue. [6] v. Wieburg. Adelbert, es iſt Hungen, über den ihr dieſes Urtheil ſprecht. Ihr werdet euch vergriffen haben, bitt euch, beſinnt euch eines beſſern, und ſucht ein milderes. Adelbert. Er iſt in Bann gethan; ſeine Güter fallen uns zu! So wills Adelbert, ſteht es ſeinem Rath nicht an? v. Wieburg. Bey meiner Seele! Ihr ſeyd irr. Der Hungen hat dem Staat mehr genutzt, als einer von des Biſchofs Unterthanen, das ſag ich, und falle euer Zorn über mich, ſollt ich ihm unterliegen, ich kann's nicht anders ſagen. Der von Hungen iſt ein edler Kerl, und ihm wird begegnet wie einem Straßenräuber; das iſt unrecht, Adelbert! Adelbert. Wieburg! Wieburg! bindt eure Zunge und legt ihr über dieſen Punkt ewiges Stillſchweigen auf; oder mein Zorn möchte euch ſchwerer fallen als ihm. — or 6 ER v. Wieburg. Das mag er! Hier ſteh ich und fürcht ihn nicht. Hätt ers verdient; wie's doch nicht iſt, ſo gienge hier Mitleiden für Recht. Adelbert. Hört ihr Wieburg! wir ſind noch ſo gnädig, 5 dieſen euren letzten tollen Einfall [7] in unſre Gerechtſame zu beantworten. Gerechtigkeit iſt kein Weib; ſie, und Mit⸗ leiden können nicht zuſammen liegen. Das merkt euch und laßt Weiber davon reden. v. Wieburg. O Gerechtigkeit, biſt du das, ſo laß dich 10 nie mehr ſo nennen, daß dein Name nicht entweihet werde von unheiligen Lippen! Heiß ihnen Tyranney, denn ſo nehmen ſie dich; dich kennen ſie nicht. Adelbert. Hungen iſt in Bann gethan, ſeiner Güter beraubt, für ſein Weib und Kinder ſoll geſorgt werden. 15 Machts fertig. v. Wieburg. Adelbert! ich möchte dem Hungen kein Haar gekrümmt haben um zehen Bißthümer, noch fetter, wie das eurige. Treflicher Hungen! da nimm deinen Lohn! Adelbert. Sagt, Räthe, geſchieht dem von Hungen Un⸗ 20 recht? ſagt, wie ihr's denkt! Räthe. (bücken ſich) Einer. Wir ſahen Eure Gnaden nie einem Unrecht thun, am wenigſten dem von Hungen. Immer nach Verdienſt waren eure Urtheile abgefaßt. . (bücken ſich) v. Wieburg. So, Schurken, bückt euch, bückt euch, Schurken! noch einmal, und hohl euch der Teufel zuſammen! [8] Adelbert. Was ſagt ihr Wieburg? Iſt minder Weis⸗ heit und Gerechtigkeit in dieſer Männer Kopf und Herz, 30 als in euch, Starrkopf? v. Wieburg. Nein, bey meiner Seele! nein. Sagt, wie kann das ſeyn? — Das Ding iſt lächerlich, zum An⸗ ſpeyen lächerlich. Lieber Adelbert, ihr Kopf, Herz und Weſen iſt nach Eurem geformt und geſtimmt. Verändert 35 euch, gebt eurer Denkungsart eine andre Richtung; fie thun's I, 1.] a auch. Ich bitt euch, thuts zum Verſuch; Ihr ſollt ſehen, was es für wetterwendiſche Schurken ſind, die athmen, loben, den Gang gehen, den Ihr geht. Euch in allem nachäffen. Seht den da! Stell dich Mann! — Wahrhaftig, er trägt die Naſe, wie ihr. Schade Rath, daß deine Naſe ſo krumm nicht iſt, wie ſeine, denn ſo machts dich nur lächerlich. Und der da! er trägt die Hand eben ſo hängend, ſchlendernd wie ihr. Seht nur, wie er's Maul zerrt, ums eurem gleich zu machen, die Stirne runzelt, wie ein Weiſer auf einer alten Gemme, daß man glauben ſollte, er ſey in tiefem Denken verlohren. Seht in Spiegel, Adelbert, und, wenn ihr eure ganze Mienen, Bewegung der Muskeln, nicht in ihren verzerrten Affengeſichtern findet, ſo ſagt, ich ſey ein S — kerl. [9] Adelbert. Der ſeyd ihr; ein alter Narr! v. Wieburg. Wer bin ich? wer? Das ſagt man dem Wieburg? Teufel und Hölle! (greift nach ſeinem Degen) Adelbert. Hah Raſender! wags, und ich geb dein Fleiſch den Vögeln des Himmels. v. Wieburg. Und mein letzter Schrey iſt, der Adelbert iſt ein Bluthund, und fein ganzer Hof find S — — kerls. Adelbert. Raſender Tollhäusler! ihr ſeyd aus unſern Augen auf ewig verbannt. Und, beym Himmel! erkennten wir eure, bisher uns treugeleiſteten Dienſte nicht, ihr ſolltet jetzt den Tod mit Schande ſchmecken. Entfernt euch mit dieſer unſrer letzten Gnade. In drey Tagen müßt ihr außer unſrer Gränze ſeyn, oder was härteres erwartet euch. v. Wieburg. Ha, nun bin ich kühl. Hör, Adelbert, der Mann, der Gott und Gerechtigkeit liebt, hört ſein Urtheil lieber ſprechen, als daß ers einem Unſchuldigen über⸗ bringt. In zwölf Stunden will ich dieſen Boden nicht mehr betreten, den Schurken betreten. Lebt wohl, Adelbert! Ich fluch euch nicht; aber nie müſſe ein Hungen unter eurer Regierung [10] aufkeimen. Lauter S — — Geſichter, zur Beſchämung des Menſchengeſchlechts, im Zorn und Unwillen gemacht, wie die da. Wieburg geht mit leichtem Herzen 35 8 U. 2. von hier. Lebt wohl! Du da, nimm die Regel noch: trag deine Naſe noch etwas höher, wie er ſeine, und er wird dich füttern, daß du die Saalthüre nicht durchkannſt. — Ihr Affen! 5 Adelbert. von Wieburg keinen Laut mehr, oder es iſt dein letzter! v. Wieburg. Nun, ſo lebt wohl! Ich mag meine Zeit nicht verlieren. Ich und der edle Hungen reiſen leicht, wie der Vogel, der dem Räuber durchgegangen iſt. (ab.) 10 Adelbert. Der Raſende! — ihr ſeyd an ſeiner Stelle. Bringts Urtheil dem von Hungen! Reuter (kommt.) Aeuter. Graf Normann iſt eben angekommen. Adelbert. Laß ihn kommen! — der Normann da. Nun 15 gut, wirds in Gang kommen. Verlaßt uns! 1¹ Zweyter Auftritt. Normann. Adelbert. Adelbert. Willkommen edler Graf! bedrängter Graf! willkommen tauſendmal! Daß ihr kommt, verachteter, hart⸗ 20 beleidigter Graf, eben jetzt, das war gut gemacht. Wie ſtehts um euch? um alles? Normann. Adelbert, wie ſtehts um einen Wurm, den man hart auf den Kopf getreten hat, daß er ſich nicht winden kann unter der Ferſe ſeines Feindes? 25 Adelbert. Edler, ſehr edler Graf, ſchlecht. Und ſo muß es nie um euch ſtehen! nie, ſagt Adelbert, der euch Hülfe entgegen trägt in beyden Händen. Der Graf Normann unter der Ferſe des ſtolzen Herzogs! — ey! Normann. Das wußt ich, daß Ihr der Mann ſeyd, zo der helfen kann, wenn er will. So nehmt mich und meine ganze Seele! Normann iſt des würdigen Biſchofs Unter⸗ worfener in allem, was er denkt, will und beginnt. Braucht mich, nehmt mich ganz hin! I, B.] 9 x Adelbert. Edler Mann, wir find uns gleich. Gleich ſage ich. Der Biſchof iſt hart [12] beleidigt, Normann auch, wohl mehr, ſo ſtehn wir für Einen! Adelbert vertheidigt Normanns Sache, Normann des Biſchofs. Laßt uns Hand anlegen! Ihr wißt bereits alles, nur das letzte nicht. Ich 5 ſchickte zu Karl, ließ ihm mit freundlichen honigſüßen Worten meine Hülfe anbieten. Ob's den Knaben noch mehr ver⸗ ſäuren wird gegen mich, weiß ich nicht. Der Junge muß bald kommen mit der Antwort. Was denkt ihr? Normann. Wenig Hoffnung iſt hier. Er hängt zu viel 10 am Vater. Und das Ding iſt zu licht, daß er's nicht durch⸗ ſehen ſollte bis auf'n Grund. Er weiß, daß keiner jo jehr ſuchte, als ihr, dem alten Herzog auf den Nacken zu treten. Aber wohl war einer; der arme verjagte Normann, von ihm geächt, der da wünſchte, ſeufzete, ja betete, ihm aufs Herz 15 zu treten, wärs möglich geweſen. Adelbert. Und hier iſt alles, alles! Zwiefache Rache für mich und euch, der ihrs tief fühlt, was das iſt, Kränkung leiden von Stolzen, das ewig nagt und beißt. Nehmt die Rache, und ich! Das mußten ſie zur Strafe untereinander 2 anfangen. Wenn ich denk, wie michs nekte in den ſchönſten Freuden! Wie mir's zurief im Schlaf, Adelbert! Herzog 113] Friedrich drückt dich, ſteht dir in der Sonne, daß du frieren mußt; will dein Herzblut trinken. — Normann. O träumt's, träumt's! das hat er mir all gethan, würklich, mich ausgeſogen auf den letzten Blutstropfen daß ich welken mußte, eben da ich anfieng zu blühen und mich aufzurichten. Da nahm ers weg; ich, und mein kleiner Glanz ſtarben dahin. Und warum? weil er ſah, daß es hell hier war. Aber wohl war's, und die Wurzel des 30 Verſtandes läßt ſich nicht tilgen. Wußte ich mich nothwendig zu machen durch Konrad den Frommen. Adelbert. Den machte er zu unſerm Glück, Graf! Normann. Die ſchöne Grafſchaft, die er mir nahm, noch hat, und in die Acht! Friedrich! Friedrich! es wird dir ſchwer 35 werden, die übervolle Rache, die ich haben muß, zu tragen! — 1 * 5 10 2 [371 30 35 10 In, 2. Adelbert. Wenn ich's denk, möcht ich toll werden! die ſchöne Jagd, ſo weidlich war ſie nicht auf deutſchem Boden. Wenn ich mich erinnre, wie wir auszogen in unſrer Jugend, in eurem Wald — [14] Normann. Meinem? — Adelbert. Wirds bald. In eurem Wald, ſag ich, das ſchönſte Wild erlegten, denn friedlich aufs Schloß zogen, guter Zierde waren, und unſer Leben, voll der Freude und des Genuſſes! Und das Schloß hat Konrad! Normann. Adelbert! Adelbert! ſo müßt ihr mich treffen; mir durchs Herz fahren! Adelbert. Närriſch, närriſch! lieber Graf! wirds nicht euer, und noch mehr dazu! Aeuter. Fürſt Karl ſagte, der Biſchof Adelbert ſolle s nie mehr zu ihm ſchicken um jo was. Otto ſetzte hinzu: der Biſchof möge Meß halten, ob er ſchon die Schlappe vergeſſen hätte, die er bekommen, da er ſich auch in fremde Händel gemiſcht? So hört ich's, verzeiht, gnädiger Herr! wenn ichs ſo wieder geb, denkt, es ſey meine Pflicht! Adelbert. Gut, gut! das dacht ich. Komm! ſag, was machte er, da ers hörte von dir? wie geberdete er ſich? ſah er ſtolz aus? traurig? Schien's, als gieng ihm etwas hell auf bey deinen Worten? Reuter. Ich kann nichts weiter jagen, als daß er ſchien ſehr bewegt zu ſeyn, und [15] drauf bitter in Worten und Geberden. Der Otto murrte, wie immer. Hätt's, glaub ich, gern geſehen, hätt mich der Fürſt erſäuft. Er ward ſo wild, daß er mich hinausſchmeißen wollte, hätt's ihm der Fürſt nicht verboten. Adelbert. Er iſt ein Teufel, der Otto, und doch möcht ich ihn haben. Normann, jetzt iſt's Zeit! Ihr müßt's machen, und dem Alten vormahlen, als ſey er unſrer Hülfe benöthigt. Normann. Das muß ſeyn; die Folgen verſtehen ſich! Beſſer, ſchickt einen Buben zu ihm! Er darf's nicht wiſſen, daß wir zuſammen waren. 1. 3. 11 Adelbert. Sogleich, Normann! der Otto fehlt uns noch. Könnten wir den kriegen, in unſre Sachen miſchen! — Normann. Dafür laßt mich ſorgen! Ich greif ihn auf einer Seite an, wo's gelingen muß. Adelbert. Kommt an Tiſch! Es find Gäſte da, die euch 5 freuen werden. Die Italiänerin Gianetta, Normann! — nun ſo lacht heute, freut euch die Nacht, und genießt! Morgen in Kefig zurück, noch auf eine kurze Zeit! Normann. Gianetta. Du da! 16 Dritter Auftritt. 10 Schloß Sonnenburg. Karl. Adelheide. Karl. Gutes Weib, laß uns lachen! Was hilft das andre all? wir wollens zuſehen! Ich lieb meinen Vater, das weißt du. Aber ich lieb auch dich, Theure, und wie 15 keiner ſein Weib liebt. Laß uns alſo lachen, iſt's noch immer Zeit zum Weinen, ſollt's ärger werden! Adelheide. Lieber Karl, lehrſt mich Standhaftigkeit, und ich folg dir. Aber laß auch das bittre und kränkende weg, das ſich ſeit einiger Zeit in dein, ſonſt immer ſtarkes Herz 20 ſchlich, ſich ſo feſt anklammerte, daß ich fürchte, es ſo leicht nicht losreißen zu können! Karl. Es iſt nicht Mißmuth, wie du denkſt. Adelheide. Ja das iſt's, und bewahr dich der Himmel ferner dafür! Lieber, du kränkſt meine, und deine Tage dadurch. 25 Karl. Wenn ich's ſo wegheben könnte, das mich ſo drückt — doch laß's, wirds gut werden. Der Adelbert iſt doch ſchlau. Kannſt du's wohl glauben, Liebe, daß es ſolche Menſchen giebt! [17] Adelheide. Der Himmel verzeih ihnen, und mach ihrer wenig! das iſt alles, was ich ſagen kann. 30 Karl. Milde Liebe, ſieh die Welt immer gut an, ſey glücklich, mach's mich! denn du kannſt's erheben des Mannes Herz, mit Stärke und gutem Muthe, und er iſt wohlbe— 12 U. a. halten bey dir, auch wenn ihn der Kummer drückt, und Menſchen ihn necken. Denk immer ſo von der Welt! Wohl mir, könnt ich's auch! Hätt ich's nicht geſehen, wie ſie's machen, einen zu ſtürzen, um ſich für ihn einzuſetzen. Und 5 ſo vom Troßjungen, bis zum Fürſten, leitet ſie in allem ihrem Beginnen Neid, Eiferſucht und Bosheit. Es iſt bös hier leben, gutes Weib, wenn's ſo weit gekommen, daß ſie dem Sohn den Vater durch Bosheit ſtehlen! Noch böjer, wenns der Bruder thut! 10 Adelheide. Lieber Karl, wenns jo weit käme, fo weit wie ich jetzt denke, denn wirds ja bös hier ſeyn. Karl. Laß uns ſo weit nicht gehen! Es iſt doch wun⸗ derlich, wenn man ſo alles vergeſſen will, was einen drückt, daß es einem am erſten einfällt! Der Adelbert iſt doch ſchlau. 15 Ich fürchte viel von ihm, und doch nichts; viel, und doch nichts. 18] Adelheide. Karl, oft ſcheinen ſie böſer, als ſie ſind. Biſt immer zu mißtrauiſch, kommt's auf Menſchen und ihr Thun an. Er kann's doch gut gemeint haben mit dir. Karl. Ihre Geſtalt iſt mancherley, und ein gutes weich⸗ 20 geſchaffenes Weib läßt ſich leicht durch Larven blenden. So geht dir's. Du weißt nicht, wie glücklich der böſe Menſch ausgerüſtet iſt von Natur. Alles ſteht ihm zu Dienſt. Es giebt Thiere, die auch ihre Boßheit verſtellen können; wie Eins, das weint Thränen wie ein Leidender, wenn's den 25 Raub anlocken will. Aber das iſt nur eine Hülle, und dazu bekannt. Wie glücklich der Menſch, hat er vergeſſen gut zu ſeyn! Unzählige Geſtalten der Bosheit hat er; das weiß Adelbert; das nutzt er, die Gabe zu verderben. Aber, Adel⸗ bert! wir haben Fäuſte und Schwerter. 30 (Otto kommt) Nicht wahr, Otto, wir haben Fäuſte und Schwerter für'n Adelbert? Otto. Beym Teufel! die hatt' ich, und er merkte es. Hätteſt du mir nur ſeinen Jungen gelaſſen, zu ſchinden! 35 Auf der Sonnenwelt iſt mir nichts ſo ſehr verhaßt, als er, und ſein ſtinkender Anhang. 1 40 3 Adelheide. Graf! wer wird fo ſeyn? Seht ihr die Leute einmal als Feinde an, werden [19] eure Blicke nimmer gut. Kann er doch wohl beſſer ſeyn — Otto. Das heiß ich geſprochen von deinem Weibe! Ja, wenn ſie noch von einem andern redete! — Aber von Adelbert — Liebe Fürſtin, eher werdet ihr mich am Spinn⸗ rocken ſitzen ſehen, wenn's Schlacht iſt; als einen Funken von gutem Herzen an Adelbert; das glaubt! Adelheide. Wilde, die ihr ſeyd! (ab) Karl. Der Engel! Vierter Auftritt. Biſchoff. Normann. Gianetta. Räthe und Ritter an einer Tafel. Normann. Madonna! Gianetta. Graf! Normann. Madonna! Gianetta. Normann, was tritt euch in die Augen ſo plötzlich? hah! wie das ſtrahlt und glüht! Adelbert, was iſt dem Graf? mir wird angſt für ihn. Adelbert. Gianetta, Zauberin, ihr habt die Seele Nor- manns auf Einen Blick an euch [20] gezogen, an euch feſt mit Banden der Liebe genagelt. Sie iſt weg von ihm! hier hängt ſie an euren Lippen, reizend und giftig. Heilt ihn, Gianetta, heilt den edlen Normann, oder hört auf zu ſeyn, was ihr ſeyd, tödtlich mächtig! oh, wie's ihm übern Kopf ſteigt. Gianetta. In Rom ſah mich Normann, kannte mich. Ich traf ihn, er mich: und ſo lebten wir. Hat er dies alles vergeſſen? Komm lieber Graf, ich will dir ein Mährgen erzehlen zum Niederſchlagen. War einer, konnte die Liebe nicht leiden, da er nun einmals — Normann. Gianetta! es brennt, wüthet, überſtrömt — Gianetta. Armer Graf! auch das haſt du vergeſſen, da Normann nach langer Erwartung den Augenblick ſah, und dann d * 30 * er var Salta de letto e in braceio la raceoglie. Ne puo tanto aspettar, ch’ella si spoglie. e dunque. Come si stringon li du' amanti insieme. s Adelbert. Trinkt Tapferkeit, edle Ritter! übertrinkt das Girren der Liebe, und des Herzogs Tod! [21] Normann. Kühlung! Kühlung, reizende Zauberin, Tod oder Linderung. Laß mich nicht ſo ſterben, und doch ſo — mein Leben geb ich für das. 10 Adelbert. Gianetta, der Graf brennt auf, der edle Graf wird Aſche. Trinkt! Gianetta trinkts dem Normann zu! (fie trinkt) Normann. (reißt ihr den Becher weg) Laß mich, Gianetta, laß mich, auf den letzten Tropfen — — und ſo laß mich 15 den Becher der Wolluſt ganz, ganz ausleeren! Gianetta! (fällt ihr mit dem Kopf auf den Schoos.) Adelbert. Kommt! Normann führt Gianetta ins Schlaf⸗ zimmer! (ab) Gianetta. Graf, lieber Graf, kennt ihr Gianetten nicht, 20 daß ihr euch krümmt und ziert? Normann. O Gianette! Worte, Luft! — ſieh mich an! Es blitzt aus deinen feurigen Augen Glück. Komm! 22 Fünfter Auftritt. von Hungen. Marie und ſeine Kinder ſchlafend. 25 v. Hungen. Ich kann nicht ſchlafen! Oh könnt ich's! einen kurzen Augenblick das grimmige, zur Rach anblaſende Leiden, das hier liegt, vergeſſen! Nein, nicht Rache, nicht Rache; die wird ohnedies kommen, ihn foltern auf'm Sterbe⸗ bette! Nimm du die Rache, Rächer und Mächtiger! — 30 O Adelbert, der du die Tugend leiden machſt, meinen armen Sprößlingen Thränen abdringſt, daß ſie ſich jagen von ihren Wangen! — Liebes Weib! ruhſt wie die Un⸗ ſchuld; durch Leiden ermüdet fielſt du hin, hier deinen letzten Schlaf zu thun. Süße Marie, dich wollte er zur Hure 1,5] 15 machen, dich Tugendbild! — die Tugend zur Hure machen! Pfuy Adelbert, jo zu denken! deine ſchöne Wangen mit Unflath überladen! — oh im Schlafe tritt ihr die Schaam auf die Wangen, beym bloßen Schall. Marie! nur durch die Tugend ſchön, noch ſchöner, da du drüber leidſt. Wir 5 gehn in andre Länder, laſſen ihm unſre Güter, nehmen's Beſte mit, dich und meine Kleinen. Für dich will er ſorgen! — ey Adelbert! und für meine Kin- [23] der! — Aber nicht wiſſen ſollſt du's, was du dem Wolluſtteufel eingeflößt. Kann die Tugend auch Schmeißfliegen an ſich locken? O 10 Satyr! Satyr, haſt du nicht Metzen genug, daß du die Tugend kränkſt? — — Liebe Marie! meine kleinen Spröß⸗ linge! (küßt ſie) ſo, noch einmal, erwacht nicht! ich bitt euch, ruhig eure kleinen Herzen! Marie! (küßt fi) da hängt eine Thräne. Weinſt du ſie, Traute? ſie iſt mein, will ſie 15 wegwiſchen. Haus. (träumend) O böſer Biſchoff! nur mein kleines Gäulgen nit. — Das kleine Gäulgen, das mir Wieburg gab. — — nimm alles, alles — — der böſe Mann — mein Gäulgen. Ha! (erwacht) 20 v. Hungen. Lieber Junge, laß ihn in die Hölle reiten drauf. — Wachſt du, Hans? was ſchreyſt? Haus. Oh das iſt gut! helft, da hat er mir das Gäul⸗ gen genommen, der Adelbert — ich war recht zornig über ihn. Aber lieber Papa, mein Gäulgen! Lauft zu ihm — 25 oder gebt mir meinen Degen, daß ich's hohl! v. Hungen. Du ſollſt ein anderes haben, guter Bube! Warte! Mein Weib erwacht. Standhaft! 24] Marie. Friedrich, haſt du geſchlafen? v. Hungen. Ja, Liebe, lang und ruhig. 30 Konrad. Pape, nimmt mir Adelbert auch's Neſtgen im Buſch? es hat Jungen. Auch meine Tauben? v. Hungen. Kriegſt andre. Konrad. Auch's Eichhörngen? o das iſt garſtig von ihm! Mein Eichhörngen, das mein war, immer; das ich fütterte, 35 16 1. 5 das mit mir ſprang? bös! bös! — Hans, und n as gen hat er auch? Hans. Pape ſagt, der Adelbert ritt in die Höll drauf zum Böſen. Laß ihn reiten! da wird er mit Zangen ge⸗ 5 hezt, Pech und Schwefel in Hals gegoſſen, weißt's ja, und kriegt 2— — Suppe. Und ich krieg ein anderes. — Pape, das Füchsgen kommt doch nicht auch in die Höll? v. Hungen. Nein, Hans. Mußt davon nicht reden! Konrad. Schweig Hans! Er muß doch nein! Der 10 Pape mag's nit gern jagen. Er hat uns ja alles genommen. Mir's Neſt, die ſchöne Tauben mit den Pfauſchwänzen, mein [25] kleines Eichhörngen. Dirs Gäulgen. Dem Pape alles. Haſt du's vorhin nit geſehen, wie ſie da waren; alles zumachten, ſagten, der Pape müſſe fort? 15 Sans. Der garſtige Mann ſagte, Mama und wir müßten da bleiben, das thun wir aber brav nit. v. Hungen. Liebe Marie, laß uns hier nicht zögern! Mir ſtinkt's hier alles an. Es iſt nichts mehr hier zu thun, wo Adelbert und ſeine Genoſſen ſind. Willſt du nicht hier 20 bleiben, Liebe, weil er's ſagte? i Kinder (plaudern dazwiſchen). Hans. Sieh, wenn ich nur hätte meinen Degen nehmen dürfen ich wollte ihm — Konrad. Du wärſt's ihm gethan haben, du. 25 Hans. Sag mir das nit mehr, Konrad! du weiſt, daß ich ſtark bin, ſtärker, wie du, und alle die Buben hier herum. Konrad. Drum kriegſt auch immer Löcher in Kopf? Hans. Das glaub ich, waren damals zehen hinter mir, und nahmen Steine dazu. [26] Und doch jagte ich ſie alle 30 mit meinem blutigen Geſicht. Du, ſag mirs nit mehr, du! Marie. (dazwiſchen) Wie kannſt du's fragen? laß uns eilen, lieber Friedrich! Laß ihm alles da, nimm dein Weib mit! Kannſt du doch keinen Augenblick allein ſeyn, und magſt das fragen. Wenn dich deine Wunden bey der böſen 25 Witterung brennen, wer ſoll um dich ſeyn, der's lindert? 1, 5.] 17 v. Hungen. Ja Marie, da bin ich mürriſch und du huld⸗ reich. Dacht ich doch kaum mehr, daß ich Krüppel bin worden für'n Adelbert. Laß es, er mag ſeinen Lohn hinnehmen! Find ich doch alles doppelt in dir. Marie. Und ich in dir. Hans. (dazwiſchen) Meinſt du, weil dich der Magiſter lobt? Was kümmert mich dein Magiſter, ob er mich ſchilt, oder lobt, und macht er mirs zu toll, ſtell ich ihm einmal ein Bein, dem dicken Wanſt. Geh ſags ihm! Ich heiß Hans Hungen ſein Bub. 8 10 Konrad. Das ärgert dich eben, weil ich's groß a. b. c. ſchreiben kann, und leſen. Nit wahr? und du kannſt's nit. 27] Sans. Davor haft auch keine Kourage und fürchſt dich für em Mädel ſeine Nägel, du. Komm mal heraus, biſt mir eine Handvoll! 15 Marie. Kinder! Hans. Hah Mutter! Marie. Was habt ihr zuſammen? — Hans. Der, mit ſeinem Leſen und Schreiben! Marie. Habt Ruh! Wollen wir was einpacken? 20 Hans. Was ſoll ich tragen? Konrad. Ich trag's Schweſtergen. Haus. Ich des Papes Gewehr, die Flinte, Schwerd, und meins. * Wieburg. (tritt herein.) 25 (Kinder laufen um ihn) Hans. Er hat mirs Gäulgen genommen, lieber guter Mann! Konrad. Mir meine Tauben, Neſt, Eichhörnchen droben mit eingeſchloſſen. (zu Hans) er ſchaft's uns vielleicht, ſag's 30 zu ihm. Haus. Guter Mann, macht, daß mirs wiederkriegen! Da fing ichs auch „Es war emal ein guter Fürſt ꝛc. ſoll ich? [28] Wieburg. Sollt alles wiederhaben. Seyd ruhig! 2 Litteraturdenkmale des 18. Jahrhunderts. 1. BR: 2 lu. 5. Hans. Aber Papa geht ja fort, wir auch, und da kommt ihr nit mehr zu uns. ; Wieburg. Wir gehn zuſammen, ſeyd ſtill! Da habt ihr was (giebt ihnen was). Braves Weib, wie ſtehts? und ihr, 5 Hungen, tragt ihr geduldig? Marie. Ja, Freund, das thun wir. Hungen. Glaubt mir, Wieburg, der Tag iſt traurig und doch nicht traurig. Mir wirds wohl werden. Wieburg. Von Hungen, ich bin euch gleich geworden. 10 Der alte Wieburg iſt vom Hof verbannt. Er iſt euer Freund. Hier ſteht der alte Mann, bittet euch, ihn aufzunehmen. Wollt ihr? Marie. Lieber Gott, wie geht das zu? Hungen. Was ſagt ihr, Wieburg? Verbannt? 15 Wieburg. Das bin ich, und freu mich; wollte es. Braver Hungen, erinnert mich nie mehr daran, es macht mich toll, wenn daran denk. Fragt mich nichts, bis wir weg ſind! Könnt ich die giftige Peſt auf Einen Ruf her- [29] beyziehen; könnt ichs mit einem Schrey, der mir's Leben koſtete, ſie 20 müßte herbey und mit ſtinkenden fäulenden Bäulen den Adelbert und ſein Zeug's überſchneyen, zu Aas machen, daß es Menſchen graute für'm Scheuſaal. Hungen. Sagt nicht ſo, Wieburg! Sie werden's doch fühlen. 25 Wieburg. Oh das müſſen ſie; tauſendfache Qual, für das, was ſie euch thaten. f Hungen. O Wieburg, jetzt fühl ich mein Leiden doppelt, da es euch auch getroffen. Rechtſchaffner Wieburg, dich hat Adelbert verbannt! warum that ers? 30 Wieburg. Lieber Hungen, laß es ſo und ſchweig! Wir gehn. Marie. Gewiß, lieber Mann, daß er ſich deiner zu eifrig annahm. Wieburg. Marie laßt uns davon nicht reden! Ich möchte I, 5.] 19 fluchen, und das ſchändete meine grauen Haare. Laßt uns gehn, aus dem Land, wo Menſchen und menſchlich Gefühl naus geflohen iſt; den Staub abſchütteln, und nicht mehr dran denken, daß wir's betreten haben! Gütiger Gott, nimm mich bald zu dir! Ich bin grau geworden dir treu, ſo nimm [30] mich, hier iſt keine Stätte mehr für deinen Diener. Nimm den braven Hungen, ſein Weib und Kinder in den Schutz; mach ſie glücklich; laß keinen mehr in dieſem Lande aufwachſen, daß die guten Pflanzen nicht mißbraucht werden von böſen Händen. Thu's alles, guter Gott! Hungen. Pak zuſammen, Marie. Kinder! Wieburg. Rührt nichts an! Schlept euch fort; mich mit! Laßt's liegen! Wir haben doch. Da Hungen, nimm's! Hungen. Das thu ich nicht, ihr brauchts. Wieburg. Wollt ihr den alten Wieburg nicht? (weint) gut dann. Hans. Lieber Pape, laßt ihn doch nit weinen, den lieben Mann! Er iſt ja ſo gut — giebt mir auch wieder ein Gäulgen. Wieburg. Wollt ihrs? oder ich geh allein und ſterb in der Wüſte. Hungen. So thu' ichs. Bleibt bey uns! Unſer Leben hängt von euch. Wir wollen euch ſchützen für allem Widrigen. Wir gehn nach Italien, zu meinem Bruder. Wieburg. Nur aus dieſem Land! Hungen. Kommt Kinder, komm liebe Marie und beſchenk > dieſes Land mit keiner Thräne! [31] Hans. Das nehm ich, Pape! zu Franz! zu Franz! und's Papes Bruder. Konrad. Ich's Schweſtergen. Die Breypfanne. (packts auf'm Rücken. Das kleine lacht) Seht es lacht — o du liebes! (küßts.) ſeht, Pape, Mutter, wie's lacht! Marie. Du Engel! (küßts) mein ſüſſes Püpgen! Wieburg. Haft du's Gefühl davon, du liebe Unſchuld, daß du dem Räuber entgehſt? Werd ich mit dir zum Kind. (küßts) 2 * 10 — * 2 [271 30 S 35 * Bet EN ll, 6. Hans. Muß den Hund ſuchen. Waldmann! Waldmann! (efeift) Ha! da iſt er ſchon. Komm (pfeift und fingt) Es war emal e guter Fürſt, Vor ſieben hundert Jahren. 5 Der war geliebt zu aller Friſt, Wie's Bücher wohl bewahren ıc. Hungen. Schweig Hans, ſollt das jetzt nicht ſingen. Hans. Kann mir's der Biſchoff auch wehren? Er hat ja das Gäulgen; iſt reich mit, kann er mich doch wohl ſingen 10 laſſen. Hätt ich ihn nur! [32] Marie. Will ich mein Milchkind nehmen. Gehn wir! Wieburg. Dem Räuber entgehn, wie das ſo leicht macht! Kommt! Hungen. Gott führ mich gut mit Weib und Kind und 15 dem treuen Greis. Konrad. Da kommt's Eichhörngen. Hans! Hans! oh fangs! ſoll's auch halb dein ſeyn! Möchts Schweſtergen ſtoßen. | Hans. Habs ſchon, hat ſich mit der Kett verwickelt. 20 Dafür ſollſt auch auf'm Gäulgen reiten. Sie ſind ja ſchon fort. Pape nehmt uns mit! Eure liebe Kinder laßt nit zurück! Marie. Meines Kinds Windeln! Konrad. Liebe Mutter, ſeht nur's Schweſtergen! Sechſter Auftritt. Rothenburg. Konrad. Ja; der verhärteſte Böswicht muß er ſeyn, wenn er's wagt. Dabey ein Menſch, der nicht 's geringſte von Ver⸗ ſtand beſitzt. Um eines Mädgens fündiger Begierde willen, 30 Vater, Pflichten, Religion, vergeſſen; [33] ſich um ein Herzog⸗ thum bringen, das gewiß iſt! Himmelſchreyend! Aber, der Stolze! ſchon als Knabe verachtete er alles, was nicht mit ſeinem hoch geſpannten Kopf übereinkam. Wenn er ſo von Größe des Geiſtes, Edelmuth und Großmuth ſchwatzte, ri A ee 1, 6. 21 Wörter, worunter verſtocktes Heidenthum verborgen lag; Geiſtliche und ſeinen Bruder verachtete — — da liegt er, und mit ihm der Dünkel! Kann ich mich zufrieden geben. Mir fällt's zu. Und ohne Verbrechen; denn, wär's Ver⸗ brechen, bey allen Heiligen ich würde es verabſcheuen. So ſeh ich's als ein Werk des Himmels an. Religion, dir diene ich, wenn ich meine Hände biete, einen Frevler zu beſtrafen. Er iſt mein Bruder, aber deine Geſetze ſind weit bindender und verpflichtender, als die, welche die Menſchen durch die Natur aneinander ketten. Dein Wille iſts, ich widerſtrebe nicht. Beichtvater. (tritt auf.) Konrad. Ehrwürdiger Vater, was bringt ihr? Beichtvater. Frommer Prinz, was kann ein treuer Diener der Religion, bey Zeiten, wo Frevler ihre Vorſchriften ver⸗ geſſen, an⸗ [34] ders bringen, als Thränen, verweint über ſolche bejammernswürdige Verblendungen? Träume, Geſichter und Zeichen verkündigen das ſchreckliche, womit ein irrig geſinnter Bruder die Kirche und den Vater bedroht. Aber ihr werdet's hinausführen, und einſehen, daß Gott den Würdigen erhebt und Frevler ſtürzt. Zum Glück eures Vaters Unterthanen werdet ihr ſiegen. Konrad. Mann von Gott! wär dieſes nicht, fühlt ich den Ruf der Religion nicht innigſt! nichts ſollte mich ver⸗ mögen, die ſchwere Bürde der Regierung jemals zu tragen. Allein das Mitleiden für ſo viele Seelen, die unter Karls Regierung verlohren giengen — Beichtvater. Heil und ewiger Segen euren edlen Ge⸗ ſinnungen und frommen Entſchlieſſungen! ihr werdets aus⸗ führen. Keine irdiſche Macht widerſteht den Erwählten der Heiligen. Konrad. Wie ich jüngſt vernahm, ſollen die Einkünfte eures Kloſters nicht mehr hinreichend ſeyn — Beichtvater. Leider, mein Fürſt! dies iſt der Lauf der Welt. An uns, die wir für ihre Seele ſorgen, denken ſie am wenigſten. [35] Ketzerey und Eigennutz reißen zu unſern or 1 oO 1 or 30 35 — I, Tagen jo ftarf ein, daß Fürſten nur ſich zu bereichern be⸗ dacht ſind, und am wenigſten an Gottesfurcht und Klöſter denken. Da ergehen dann die Strafgerichte! — O ihr Heiligen, ſchenket der Erde Fürſten wie Konrad, und reinigt 5 fie von Unglaubigen! a Konrad. Schon war ich beſorgt; lag meinem Vater drum an. Wäre mein Bruder nicht darzwiſchen gekommen, es wäre bereits geſchehen. Beichtvater. Friede für dieſen Gedanken! und die Aus- 10 führung erwirbt euch ewiges Wohl. Konrad. Mein Vater hätts längſt gekönnt. Beichtvater. Verzeiht, wenn ich ſage, daß euer Vater nicht wenig zur Boßheit Karls beygetragen! Und ich fürchte, er haßt uns heimlich. Ich wünſchte, eine Lüge geſagt zu 15 haben! Und das üppige Hofleben! die Gaukler! — Konrad. Mein Vater iſt ein unbeſtändiger, hitziger, ſtolzer Mann, deſſen Fehler zu ertragen Geduld erfordert. Beichtvater. Ja das iſt er, höchſt unbeſtändig und ſtolz! Ich habe Proben. Mein Fürſt, ich dächte, ein Geſetz, welches 20 alte [36] ſchwache Väter verbände, dem kraftvollen Sohn (beſonders wenn der Sohn Konrad wäre) die ſchwankende Macht der Regierung abzutreten, wäre ſehr vernünftig. Religion und Gewiſſen vertheidigen's, da es das Wohl des Volks betrift, für das nie zu früh geſorgt werden kann. 25 Konrad. Ihr könnt Recht haben. Doch eingeführten Ge⸗ bräuchen — f Beichtvater. Was Gebräuche! Konrad. Der Herzog! Siebender Auftritt. 90 Herzog. Herzog. Konrad, wird er ſich geben? Hat er noch nicht geſchickt und widerlegt, ſie ſey ſein Weib nicht? I. 7. 23 Konrad. Wollte der Himmel, es wäre ſo! Herzog. Meynſt nicht, daß ers thät? Laßt uns allein Euer Ehrwürden! Meynſt alſo nicht? Konrad. Wenn Wünſchen und Beten wirkt, denn thut ers. Herzog. Mit dem Pfaffengeſchwätze! Junge, du riechſt nach Wachskerzen und Rauchfaß, an ſtat's Pulver's. Wenn das nicht hilft, [37] gehn wir ihm zu Leibe, und da ſoll's wirken kräftig, daß er taumelt, und mit ihm ſein Traum vom Herzogthum. Verſtehſt du's? Was will der? * a Reuter (kommt) 10 Reuter. Vom Biſchoff, meinem Herrn, gnädiger Herr! Herzog. Adelbert doch nicht? Aeuter. Adelbert. Herzog. Hm! Adelbert! was will der? Will er ſterben? Will er ſein feindſelig Leben bereuen gegen mich? Iſts ſo? 15 Reuter. Der Biſchoff, gnädiger Herr, iſt geſund. Herzog. Hm! ſo mag er krank werden! Reuter. So ſagte der Biſchoff zu mir: Sage dem Her- zog, Adelbert habe vernommen, wie ſein Sohn Karl geſinnt ſey, ihn vom Thron zu ſtoßen, um eines Weibes, heimlich geehlicht. : Das ſey Adelbert zu Ohren gekommen, habe ſein Herz ge— troffen, und ſo biete er dem Herzog, nächſt ſeinem Gruß, ſeine Hülfe an, in Perſon, mit Reutern und Fußknechten. [38] Herzog. Biſt du fertig? Sag dem Adelbert, ich wollte — Konrad. Gnädiger Herr, Karl iſt acht hundert ſtark, und 25 täglich wächſts. Herzog. Schweig du! Sag ihm — Konrad. Laßt ihn einen Augenblick weg! Geh du, ich will dich rufen. Herzog. Bleib du, und Konrad ſchweig! Was nimmſt 30 du dir heraus? Geh nur, Burſche, bis ich dich ruf! Mir zu befehlen, wegzuſchicken? das mir, Konrad? Konrad. Gnädiger Herr, wenn ihr's jo nehmt — 1 oO 24 1. 2 Herzog. Kennſt du nicht den Biſchoff? Weißt nicht, was er alles ſchon uns that! Und ich ſollte ſeine Hülfe annehmen wegen Karl, daß er den Baum erlege, Stamm und Wurzel? Meynſt ſo? 5 Konrad. Ihr führtet Krieg mit dem Biſchoff, er war genöthigt, von ſeiner Seite alles zu thun, wie ihr's auch thatet. Der Krieg fiel aus, gut für euch. Nun ſaß er ſeither ſtill, gab nicht die geringſte Gelegenheit zum Argwohn von Haß; gab ſich alle Müh, eure Gunſt zu erwerben; ihr waret un⸗ 10 verſöhnlich gegen [39] ihn. Nun kommt er, bietet euch edel⸗ müthig ſeine Hülfe an, will euch feſtſetzen in euren Gerecht⸗ ſamen, gegen einen Aufrühriſchen vertheidigen. Sagt, ob das nicht edel iſt? Herzog. Schweig von ihm! Was, er? Er ſollte mich 15 vertheidigen gegen meinen Karl? Wer bin ich? Nein, bey meiner Seel, nein, er ſoll mir keinen Fuß ins Land ſetzen! Ich will meinen lieben Karl züchtigen, ohne daß ſie ihre Hände nein miſchen. Nicht wahr, du glaubſt, er meynts gut, weil er ein Biſchoff und geiſtlich iſt? o dummer Junge, 20 der du der Schlange entgegen läufſt, ob du ſie ſchon ziſchen hörſt! Konrad. Oh daß ihr nicht zu überzeugen ſeyd! haßt ihr einen. Normann kommt. Herzog. Graf, was ſagt ihr? da ſchickt Adelbert, will 25 mir Volks geben gegen Karl. Hat's der Herzog nöthig? dazu von ihm? Normann. Niemals wird der tapfre Herzog fremde Hülfe nöthig haben, ſo lange Karl keine ſucht, nicht des Herzogs Leute von ihm abtrünnig macht, und ſeine Abſichten niedriger 30 ſpannt. [40] Herzog. Was meynt ihr da? bitt, redet deutlicher, Herr! Normann. Was brauchts viel Worte? die meiſten jungen Leute ſind zu Karl übergangen. Herzog. Und das ſagſt du ſo kalt, Graf? es iſt nicht 35 wahr! was wären fie durchgegangen, übergangen? I, 7] 25 Normann. Die beiten Kerls. Herzog. O verdammte Zunge, die das jagt! nein, du lügſt, Graf! ſag, wie können ſie das? Normann. Die beſten Kerls. Herzog. Was wären ſie? die beſten Kerls? Verräther, 5 die zum Aufrührer die beſten Kerls! Und du kommſt mit einer Miene, ſo kalt, als wäre ein altes Weib geſtorben! Haſt keinen, den ich morden könnte? ließſt ſie alle laufen? kommſt mir vor die Augen? — Eilt und ſchafft mir ſie, oder euer Leben muß fie bezahlen! 10 Normann. Wenn Boten gehen ſollen, nie wieder zu kommen, ſo ſchickt ihnen nach! Und wieder nach, bis kein Mann übrig bleibt. Um Mitternacht giengen ſie Schaarweiß. [41] Herzog. Sind ihre Väter da? bringt mir fie! alle ſollen ſie vom Felſen hinunter! alle, nicht Eines Mannes 15 geſchont werden! Konrad. Und wer ſoll fechten? Normann. Die Alten ſind auch mit. Herzog. Die Alten auch! Nun, ſo ſteh mir Gott bey! Und hier ſchwör ich armer, alter Mann auf meinen Knien 20 (kniet ji) bey ihm, mich nicht eher niederzulegen und Ruhe zu koſten, bis ich ſie alle getilgt von der Erde, und Karl mit! Todesarten will ich erſinnen, peinigender und ſchrecklicher, als ſie noch von Menſchen gehört und geſehen worden! das will ich thun! Und ſteh mir bey, gieb mir ſie unter die 25 Hände! Mich treulos zu verlaſſen; die ſie mir alle ſchwuren, auf ihre Seele — denn zum Sohn überzugehen, ihn in Meuterey zu ſtärken — Gütiger Himmel, du kannſt zuſehen, ohne nein zu ſchlagen mit deinem Donner? Konrad. Wer hätt's denken ſollen? 30 Herzog. Ich hab ſie alle geliebt, und ihr Freund war ich. Nennt mir ſie! Nein, thut's nicht! Und doch will ichs hören. Wer ſind ſie? [42] Normann. Franz von Walldorf, mit feinen zwey Söhnen. 26 [E23 Herzog. Lieber, lieber Gott, wenn du einen tief ver⸗ wunden willſt, machſt du ihm die Menſchen, die er aus dem Staube gezogen, undankbar! Sag mir keinen mehr; ich möcht über den einen raſend werden; wie der mich bezahlt, 5 daß mirs Herz blutet! Normann. Heinrich Blunt, und ſein Sohn. Herzog. Schweig Graf! — Heinrich Blunt; er war ein edler Mann, der Heinrich Blunt. Ich ſchlug ihn zum Ritter, da mir Karl gebohren ward, gab ihm Güter — 10 Lieber Gott, nimmſt mir die Beſten! Heinrich Blunt! wer ihn ſcheel anſah, grif mir ins Aug. Heinrich Blunt! Normann. Konrad Wallungen, ſein junger Vetter. Herzog. Wallungen! Nun, Wallungen, geh auch du hin, bis wir uns wieder ſehn! Sein Herz hieng an Karl. Jetzt 15 verſteh ich ſeine Reden von Geſtern, da er mich bat — Gut, Wallungen, du warſt ein tapfrer Mann; ich denk, dein Geiſt ſchied von dir, da du zum Aufrührer übergiengit. [43] Normann. Der alte Gebhard. Herzog. Schweig, ſchweig! das bringt mich um; keinen 20 einzigen mehr! Walldorf, Blunt, Wallungen, Gebhard; vier rüſtige wahre Männer: Kein Wort mehr, Graf, es waren Edelſteine an meinem Hofe; aber zu Glanz bracht ich ſie; vor waren ſie dunkel und im Staub. Laß ſie gehen! Wer mir aufſtößt von ihnen, den ſtoß ich's tief ins Herz. 25 Normann. Gorg — — Herzog. Keinen mehr, Graf! ſoll mich die Untreue der Menſchen zu todt foltern? Normann. Nun, gnädiger Herr, überlegt wohl, ob die Hülfe des Biſchoffs zu verachten, wenn er zu haben iſt, und 30 Karl ihn nicht ſchon auf ſeine Seite gebracht; wie's Ge⸗ rücht geht? Herzog. Denen kann's nie wohl gehen, die's ſagen. Das Gerücht Hah das Gerücht! weiter, Graf! Normann. Karl hat zum Biſchoff geſchickt, gemeinſchaftliche 35 Sache gegen ſeinen Vater mit ihm zu machen, das iſt wahr! I. 8.] 27 Herzog. Oh, möge deine Zunge kein Wort mehr reden! Graf, holt ihr aus der [44] Hölle dieſe giftigen Zeitungen? Es iſt aus, ſein Maas iſt voll! Mit Tod und Verderben leer ich's ihm aus, übern Kopf! Laßt den Jungen kommen! das zerfleiſcht einem das Herz. Sag dem Biſchoff, er möge eilen, mit ſo viel Mann er hätte! — Achter Auftritt. Eine Laube. Giſella. Ihr Mädgen, geſchriebene Blätter in der Hand. Giſella. So ſtarb er, und ſie ſaß auf ſeinem Grab— maal; weinte, vergaß ſich, und die Welt, und war ihr wohl da. — Der Barde muß eine fühlende Seele gehabt haben, ſein Geſang geht ſo ins Herz, und, wenn man's ſo innigſt fühlt — leg's weg! — Geweiht ſeyen ihnen dieſe Thränen. — Was erſchreckt mich doch! das war ſo ängſtlich, was mir da einfiel! O lieber Karl! getäuſcht von der Ein- bildung — und meiner — ſey's ſo! meiner Liebe, hätt ich deine Gefahr vergeſſen können. Verzeih, lieber Bruder! war es doch ſo ſüß, zu träumen, ſo glücklich — [45] Mädgen. Gnädige Fürſtinn! kann's doch alles noch: gut werden. Der Herzog will noch zu ihm ſchicken; ſehen, ob er Karl bewegen könne. Und wer weiß, ob er nicht nachgiebt, wenn er ſieht, Karl kann nicht? Giſella. O es wird niemals ſeyn! Die Entſchließungen meines Vaters find feſte Thürme, Felſen! prallt alles zurück,? da hilft kein Bitten. Unglücklich der, den er haßt. Und die Leute, die um ihn ſind, mag ich's nicht denken. Lieber Bruder, dir wird übel mitgeſpielt von allen! Und du, Ludwig! auch du, und deine Schweſter! Ich hab' einen Brief von ihm. Soll ich mich Otto geben, räthſt du mir das, gutherziger Ludwig? Weil der Mann ſo vortreflich iſt, ſo würdig, das ſagſt du? oh der rauhe, tapfre Mann; hätt ers von dir, das ſanfte, das mir ſo an dir gefiel! Nicht wahr, der Otto iſt ein rauher, rauher Mann? Nicht ſo, wie der, von dem der Barde ſingt? — 5 1 * 35 BEN. ar, 1. Mädgen. Ich ſah den Otto einmal, und jo keinen Mann ſeh ich mehr. War das nicht ein Mann, ein wahrer Mann! Wenn er ſo auf ſeinem Horſt, dem großen ſtolzen Schimmel herein ſprengte, war's groß anzuſehen. Allen 5 Rittern war die [46] Seel in den Augen; man ſah's ihnen an, wie ſie ſeine Gegenwart fühlten, alle neigten ſich, und ihr Blick war, wär ich der Mann! Giſella. Du ſahſt den Ludwig nicht. Hörteſt ihn nicht ſprechen, wie er ſo zu meinem Herzen redete, ich ihn gleich 10 verſtund. Tapfer und mild — om? lies noch was vom Barden! Aber nicht traurig! Sieh, ſie müſſen ſich lieben, und glücklich werden! Wir wollen unter die Bäume gehen. (ab.) Normann. Sieh, ſie müſſen ſich lieben, und glücklich werden! So war's, ſo war's, bey meiner Seele! Dacht 15 ich's doch ſchon lange! O treflich! das fügt ſich, ſchickt ſich und greift ineinander. Tapfer und mild! Ich hör's noch: — tapfer und mild: — gut! hängt einander! und das iſt deine Angel, Otto, du rauher Mann! und denn will ich ſie trennen. Wirſt du an dieſer Angel nicht ge⸗ 20 fangen, wirſt du's nie. Und dem dummen Kerl den Brief vertrauen — 47 Zweyter Aufzug. Erſter Auftritt. Einfiedfer im Walde, (gräbt.) 25 Bald iſt mein Grab fertig. Hab ich doch ſchon lange gegraben. Aber tief, tief ſoll's ſeyn! Können meine kraft⸗ loſen Arme doch kaum mehr. Hier werd ich liegen, ruhen, unter dieſen Linden, die mir ſo oft Schatten gaben, des Alters Laſt nicht mehr fühlen. (gräbt fort, und ſeufzt) Schlaffe 30 Nerven im Alter; Gebeine ohne Mark und Säfte! Sünden der Jugend, ihr drückt mich hart! — Wie lang leb ich ſchon hier? grau war mein Bart, das Herz der Freude ge⸗ ſtorben. Und hätt ich's gethan, wärs Alter nicht kommen? II. 1.) 29 Das riß mich, zog mich von der Welt, die ich nicht mehr genießen konnte, weil ich ſie zu viel genoß, das fährt mir durch die Gebeine — Hah! Froſt in Sommer, Hitze — kann nicht mehr, bin zu müde. Morgen werde fertig, Ruhe— ſtätte, und denn ſchließ mich bald ein! (ſetzt ſich auf einen Raſen) 5 Für heilig gehalten, [48] leb ich hier. Menſchen, zum Betrug gemacht, ihr wollt nicht anders, ich muß. Ihr würdet mich anbeten, mich elenden, mehr verworfenen, als einer von euch. Meine alte Wange glühte vor Schaam, und der Wurm nagt mir am Herzen. Horch! ein Sturm, werd's erſt gewahr. 10 Hör den Donner! brüllt ſchon ſchrecklich, ruft mich zum Beten! Celle. E inſiedler (auf den Knien, betet, zieht am Glöckgen.) Sturm und Donner. 15 Konrad (tritt herein.) Fürchterliches Ungewitter treibt mich hieher. — Verzeiht, heiliger Mann! ich ſtört' euch. Ich will mit euch beten. (kniet ſich neben ihn) Einſtedler (wie oben.) Dit ein grauſamer Sturm, hab: noch keinen ſo erlebt. That't wohl, daß ihr euch flüchtetet. Konrad. Ich war auf der Jagd; Glück wars, das mich zu euch führt, Ehrwürdiger Vater, ich dank dem Himmel dafür. Kennt ihr mich? 49] Einſiedler. Ich kenn die Leute von der Welt nicht. 25 Konrad. Ich bin nicht davon, heiliger Mann! Mein Herz iſt der Religion geheiligt, obſchon eines Fürſten Sohn, und weltlich geſinnten Mannes Bruder. Einſtedler. So ſeyd ihr Prinz Konrad. Dank euch, Heiligen, die ihr mich den Mann ſehen ließt, der ſeinen Gott 30 liebt; Dank euch! Glückliche Jugend, fern von Sünden, munteres Alter erwartet dich. Konrad. Ihr kennt mich? Einfiedfer. Ich weiß alles, mein geiſtlicher Sohn! habs längſt gehört von einem aus dem Kloſter. Ihr habt einen 35 1 oO 30 II. 2. böſen Bruder, verſtrickt und verwickelt in Sünden, verläßt er ſeinen Vater, einem Weibe anhängend, darzu des Feindes Tochter. Konrad. Mein Vater zieht gegen ihn. Ich bin in Un⸗ ruh, weiß nicht, ob ich mit ſoll? 5 Einſtedler. Zieht mit, errettet Menſchen Seele und ihr Heil! Ich ſeh euch auf dem Thron des Vaters. Nehmt's für wahr, und glaubts! Ihr werdet herrſchen an der Stelle des erſten Bruders, erleſen vom Himmel, [50] auf daß ihr des Vaters Unterthanen errettet vom Verderben, größer als 10 Tod. Hätte mich das Alter nicht getödtet, ich wollte mit euch; euch herrſchen ſehen, getrieben von Gottes Geiſt. Iſt Weiſſagung vom Himmel. Der Sturm dauert, betet. Konrad. Heiliger Mann, deſſen Lippen der Andacht und Wahrheit gewidmet; Gott führte mich zu euch. Ich fürcht 15 aber, zu regieren, ich laß es meinem Bruder, um keine Un⸗ gerechtigkeit zu begehen. Einſiedler. Murrt nicht gegen den Himmel! Er ruft euch laut, laßt es eure Seele vernehmen — betet! (Knien und beten. Ein ſtarker Schlag giebt Krachen, ſpringen 20 erſchrocken auf.) Jeſu Maria ſteh uns bey! iſt der jüngſte Tag da. (ſieht durchs Fenſter) Eichen von Rieſenhöhen zerſplittert! Ueber mein Grab brach's ein. Grauß! grauß! — Prinz, große Männer werden fallen; iſt Vorbedeutung. 25 Konrad. Ich fürchte, fürchte! Laßt uns beten, beten! [51] Zweyter Auftritt. Rothenburg. Herzog. Normann. Herzog. Konrad auf der Jagd, in dem Ungewitter? wenn so ihn nur kein Unglück trift! Normann. Er wird ſich geflüchtet haben, gnädiger Herr. Es verzieht ſich, wird hell — — die Sonne! Herzog. Und da ein Regenbogen verkündiget Gnade und u, 2.] 31 Verzeihung der ſündigen Welt. Es ift jemand; wie gern wollt ich ihm verzeihen! Karl! — ſcheints doch, als rief mich der Himmel, es zu thun. Er verzeiht uns, läßt uns das Gnadenzeichen ſehen — das will ich auch, Karl! will dich lieben, koſtbarer Junge! Normann. Seyd ihr noch willens auszuziehen, gnädiger Herr? Herzog. Ich wollt ihm eben verzeihen. Gottes Huld glänzt mir vom Regenbogen — o lieber tapferer Karl, deines Vaters Huld — komm! Normann. Der tapfre Karl; der tapfre Karl! [52] Herzog. Graf! was? warum wiederholt ihr meine Worte? Normann. Der tapfre Karl hat tapfre große Abſichten. Legt ihm die Regierung nieder, gebt ihm Wilhelms Tochter zum Weibe! doch die hat er ſchon. Nur legt ihm die Re⸗ gierung nieder! thut's und geht ins Kloſter! Karl iſt ein tapfrer junger Mann von mächtigem Feuer, und hoch iſt der Geiſt dieſer Leute geſpannt, da ſeht ihr nicht nauf. Herzog. Das wollt er alles. Oh daß er Recht hat,? daß er Recht hat! Ich hätt's vergeſſen; wollt's. Ein Junge, der den Tod für mich auffieng, neingieng, als keiner. Der mit meinem Herzen ſchalten und walten konnte nach Willen. Oh daß er Recht hat! Wilhelms Tochter, meines Haupt⸗ feindes; meine Regierung — wir ziehen aus. O du Schlange, : die ich in meinem Buſen aufzog, nährte, ſchmeichelte, daß du mir übern Kopf wüchſeſt; daß du auf meine graue Haare träteſt, ſagteſt, ſo macht's der Sohn dem Vater, der nicht will, wie er. O ſataniſch! ſataniſch! Wir ziehen aus, morgen, morgen! Giſella (tritt auf.) Hör Giſella, liebe gute Giſella! dein Bruder, dein koſtbarer Karl iſt mir übern Kopf gewach⸗ [53] ſen, wird bald Herzog ſeyn. Gefällt dir's? Nicht wahr, Giſella, hättſt's nicht ge⸗ glaubt von Karl, daß ers thät dem armen Mann um einer Metze, einer Feindin willen? Aber gieb dich zufrieden! 30 * — * 20 30 35 3 II, 2. Morgen ziehn wir aus, ihn zu demüthigen, zu morden, wenn er nicht anders will. Giſella. Gnädiger Herr, euer lieber Karl, mein Bruder! Herzog. Schweig Weib, was! was ſagſt du? Iſt dirs lieber, mich untergejocht zu ſehen von ihm? Nein, kannſt's nicht ſo wollen, trautes Mädgen. Wie eines Kindes ſchonen, das mich ſtürzen will in die Grube? Auf meiner Grube den Thron erbauen, mit Vaters Blut befleckt. Giſella ſags nicht mehr! dein Bruder muß gehorchen, oder ich bring dir ihn todt mit ſeinem Anhang, todt ſollſt du ihn ſehen, den Feind deines Vaters. — Normann, reitet nach Konrad, nehmt Leute mit! Gewiß wird er ſich bey einem Mönch verkrochen haben. Der Geiſt des Helden iſt nicht in ihm; in Karl tauſendfach, und der iſt nicht mehr mein. Liebe Giſella, hol deine Laute, ſing mir's weg vom Herzen. Giſella. Du wirſt viel leiden, arme Giſella! (ab.) 54] Herzog. O Thor! Thor! armer alter Thor! du ſtützteſt dich auf ein ſchwaches Rohr, das ſchwankte; du ſtürz⸗ teſt, weil deine Stütze ein Nichts war. Wem gieng's auch io? oh meinem Vater, der ſtützte ſich auf den Erzbiſchof, ſeinen Bruder, der war ein ſchwaches Rohr, wollte es ſeyn; das ſahen die andern, und er fieng an zu ſinken; wär ge⸗ ſunken, wär ich nicht kommen. Kaum der Amme entlaufen, band ich mit allen an, hub meinen Vater auf, und er ſaß 5 da, geſchmückt mit Güte und Gerechtigkeit. So dacht ich's auch, ſo dacht ich's auch, umringt von meinen Feinden könnt ich mich auf Karln ſtützen. — Tritt auf einen Grashalm, alter Mann! wirſt feſter ſtehen, als auf ein Rohr gelehnt, von Weibern angeblaſen, von Feinden angeweht. Giſella mit der Laute. Biſt du da, Liebe? Nun komm! ſpiel mir ſo, daß es be⸗ ruhigt, daß es einen alles vergeſſen machen könnte, das einen vergeſſen machen könnte, wenn der Sohn dem Vater auf's Herz tritt! Spiel ſo, Traute! Giſella. O lieber, lieber Vater; könnteſt du's vergeſſen! Guter Gott, gieb Ruhe feinem Herzen! (spielt) C II. 3.] 55] Herzog. (hört eine zeitlang zu) Liebe, deine Muſik iſt gut, aber taugt nicht für dies Herz. — Deine Töne ſind zu fein, zu ordentlich, zu natürlich; klingen zu ſanft. Sieh zu, ob du keine aus dieſem Inſtrument locken kannſt, die rauh wären, ſtürmiſch, widernatürlich, die jo widrig klängen, als 5 wenn man ſagte, der Sohn will gegen den Vater gehn, ihn zu morden! Haſt du ſo keine? Giſella (ſchweigt und weint.) So hat er's dich nicht gelehrt; ſoll's noch, heute noch. Oh wer lehrte den Karl gegen den Vater, gegen die Natur Empörung? wer lehrte ihn das? Machte ihn ſein Schöpfer jo? nein, er hätt's thun ſollen! Aber er machte ihn zärt- lich, wie dies Inſtrument, und ſanft. Die Wildheit des Tiegers iſt in ihn gefahren. Lieber Karl, warſt fo ſanft ge- macht, und ſo überſtimmt, ſo überſtimmt, daß — — die Welt iſt aus ihren Schranken. Komm Giſella, kannſt heute nichts. So ſanft; und jetzt ſo unſanft! 56 Dritter Auftritt. Wald. Alte. Otto. Otto. Lieber Horſt! guter, treflicher Gaul, mußt ein Eiſen verlieren. Beſtie! juſt heute ein Eiſen verlieren, wo du hurtig ſeyn ſollſt, wie der Pfeil; fliegen durch die Luft. Kam's auf den beſten Fang an, und ein Eiſen verlieren! — lahm müßt du ſeyn, wärſt du nur kein guter Horſt, der mich zu den Saracenen trug; überall hin, einhaken konnteſt nach Herzens Luſt. Wie wollten wir ihn kriegt haben, den frommen Jäger. Mit Roſenkränzen, Reliquien umhängt. Das Kreuz aufn Buckel und jo ins Kloſter nein pilgrimiren. Teuf⸗ liſche Beſtie! Eben jetzt ein Eiſen verlieren, jo gut ver⸗ rathen — mußt fort, lahm will ich dich reiten. Lieber Horſt, das einmal noch; ſollſt einen goldnen Huf haben! jag! will aufſitzen) Alte. Ritter, der Sturm heulte. Der Blitz hat Menſchen 3 Litteraturdenkmale des 18. Jahrhunderts. 1. — D — S 34 ul. 4. und Vieh getödtet. Dort ein Hirt und ein junges Mädgen, todt vom Blitz. Siehſt blutig aus, guter Mann; blutig, wirſt bluten. Trau Menſchen nicht honigſüß, behäng dich nicht mit Weibern! [57] Reit ſachte, dein Gaul hinkt. Siehſt 5 blutig aus! Otto. ſpringt vom Pferde.) Hexe! Hexe! der Teufel hohl dich! Haft mir den Gaul gelähmt, den Horſt behert: Oh den beſten Gaul im Reich. Kein Kaiſer ritt ſo einen. Haſt meinen Horſt gelähmt. 10 Alte. Blutſt, Mann, blutſt. Die Sonne zieht Regen, wird bald Blut ſaugen. Schau auf; reit heim! kriegſt den nicht, den du ſuchſt. Trau Menſchen nicht honigſüß, behäng dich nicht mit Weibern; — das arme Mädgen todt, und der Hirt! (ins Gebüſch ab.) 15 Otto. Blutſt! Blutſt! raßt die Hexe? Blutſt! Oh wär der Streich nicht mißlungen! Wär ich ihm nach, bis vors Schloß! Vielleicht Giſellen geſehen — Laß dich führen, Horſt, ſollſt keinen Haber mehr aus meinen Händen haben, keine Schmeichleyen mehr auf deinen gebogenen Hals — 20 — — daß du die Krenk, du Beſtie! — Blutſt, blutſt! ſagte die alte Here. Komm Horſt, teufliſcher Gaul — hink, hink, hink, du Beſtie! [58] Vierter Auftritt. Herzog. Adelbert. Konrad. Normann. 25 Adelbert. Edler Herzog, nie dacht ich, in ſolchen Ange⸗ legenheiten zu euch zu kommen. Ich wünſchte ſie beſſer. Doch iſt der Tag herrlich für mich, für mich, ſag ich, da ich Gelegenheit hab, euch zu zeigen, wer Adelbert iſt, ſo lange von euch verkannt. Ich bin da mit allen meinen Leuten, zo nehmt's an, wie ich's meyn, von Herzen! Herzog. Ich dank euch, mit vollem Herzen der Freund⸗ ſchaft, für euer Wohlmeynen, Adelbert; bin euch verpflichtet und werd's erkennen, was ihr that an mir in traurigen Tagen. Adelbert. Davon muß man nicht reden! Es iſt heilig, II, 4.] 235 was mich auffordert, das zu thun, ſprecht von keiner Ver— pflichtung! Belohnt bin ich genug, wenn Herzog Friedrich, den ich immer ſchätzte und ehrte, ferner keinem Haß gegen Adelbert in ſeinem Buſen Raum giebt. Unglück muß's prüfen, wer's treu mit einem meynt! [59] Herzog. Adelbert, ich trag Leid, euch verkannt zu haben. Adelbert. Wohl mir, daß ihr's einſeht! Herzog. Das thu ich. Seyd ihr in Sturm gekommen? Adelbert. Wir hielten in einem Dorf ſtill. Der Sturm war gräßlich. Herzog. Morgen wird's mehr wüten, ſtärker bey Em— pörung der Natur. Normann mit Tages Anbruch zu Karl, ihm noch einmal Vaters Huld zu überbringen! Normann. Euer Befehl, gnädiger Herr, iſt vollzogen. Herzog. Das hätt ich nie gedacht, Adelbert, daß wir uns ſo ſehen würden. Es geht wunderbar, wenn die Natur ſich einmal vergißt. Da werden Wölfe aus Lämmern, Ruch⸗ loſe aus Guten; bey meiner Seel, zum Weinen wunderbar! Adelbert. Herzog Friedrich, laßt uns das Beſte hoffen mit Gott, und ſäuberlich verfahren mit Karl! Herzog. Ja, Adelbert, das muß man auch! Oh ich hätt's nie geglaubt, Adelbert, [60] von euch, daß ihr jo was ſagtet. Ihr ſeyd's nicht mehr. Kommt, lieber Biſchof, ver- ändert euren Namen! Ihr heißt Adelbert; den Namen kann ich nicht dulden, ich denk immer meinen Feind darunter, verändert ihn! Wie ſoll ich euch nennen? Ja ſo, heißt Bonifacius. Bonifacius guter Ad — ſäuberlich mit Karl verfahren! wie wohl geſprochen vom Biſchof Bonifacius. Ruft ihm ſo, edler Bonifacius! Normann. Edler Bonifacius! Konrad. Mögt ihr ewig ſo denken; Uneinigkeit ewig verbannt ſeyn! Edler Bonifacius! 20 30 5 10 15 20 25 30 36 Fünfter Auftritt. Karl. Adelheide. Karl. Sie ſind da, Adelheide. Adelheide. Weh mir! hätt ich den Tag nicht erlebt, an welchem Blut fließen ſoll wegen meiner. Karl. Du biſt nicht die Urſache. Wiſch dieſen Ge⸗ danken weg! Adelheide. Wenn du geſchlagen würdeſt; dein treues Weib fiele in ihre Hände. Heilige [61] Jungfrau, wie würden ſie mich's fühlen laſſen! Karl. Sey ruhig, Liebe! ſchone mich an dieſem Tag! ſieh, du haſt ſo viele Gewalt über mich, kannſt mich ſo weich machen, und, liebes Weib, Muth brauch ich. Laß ihn dein Theil auch ſeyn! heitere dich auf, vergiß alles! Ich ſchätz und lieb dich. Weg denn mit den traurigen Gedanken! — lächle mir zu Gute! ſo — und ſtärk mich, da wollen wir's ausführen. Adelheide. Lieber Karl! Karl. (küßt ſie) Beſte! Adelheide. (ab.) Karl. Engel vom Weibe! deine heiße Thränen floſſen, dein weiches Herz macht mich glücklich, und dich mehr leiden. — Naß, naß; auf meinen Wangen von ihren Thränen! — Ich will dich ſchützen. Oh wer ein ſolches Weib hat, deſſen Leben fließt leicht dahin, auch im Leiden. Und iſts Leiden weggehoben, denn iſts immerwährender ſanfter Morgentraum. — Mag's gehen, wies will! mein Herz iſt frey von Miſſe⸗ that. Daß ich für meinen Vater mein Leben mit Freude gäbe, weiß der Him- [62] mel. Aber das thut mir weh in der Seele, wenn ich ſehen muß, daß ſie ihn leiten und lenken, ſo zu meinem Verderben ſeinen Haß gegen Wilhelms Nachkommen nutzen. Lieber Vater! nur einen Blick in dieſes Herz; mich nur einmal im Verborgenen ſeufzen hören, es würde genug ſeyn, deinen Karl zu unterſcheiden. Otto. Das find Männer, brav und wacker! Karl ſey II, 6.) 37 nicht tiefſinnig; bey Gott! es iſt nicht nöthig. So Kerls um dich, wie Blunt, Walldorf — Karl. Ich wollt, ſie wären nicht kommen! ſie verderben mirs noch mehr mit meinem Vater. Otto. Das iſt ärgerlich, Karl, wahrhaftig, ſo was zu ſagen! Wem Gott ſolche Leute giebt in Gefahr, der danke! Karl. Wenns gegen Feinde geht. Otto. Wohl unterſchieden, Karl! Auch wenn Adelbert dabey iſt, und der Bruder Konrad, und alle die ſchönen Freunde, wie böſe Engel von Gott. Red nicht ſo! Karl. Gut, wären nur die Leute bald zurück von der Kundſchaft! 01 [63] Sechſter Auftritt. Wald. Hauptmann. Reutersknechte. Hauptmann. Laßt uns hier abſteigen; und ſo durch's Gebüſche zu Fuß, daß die Kerls die Gäul nicht trappen hören. Müſſen ſehn wie's ſteht. Hurtig von den Gäul. Gebhard und du Rudolph bleibt bey den Gäul. (ab.) Gebhard. Müſſen wir ſchon wieder da ſitzen, und Mücken: fangen, weil wir die jüngſten ſind? Warte, warte! wollens heute zeigen, Herr Hauptmann, gehts nur ans Gebieß. Will ich der erſte ſeyn, oder todt. Audolph. Haſt keinen Brandwein? giengs ſo geſchwind, daß man nichts zu ſich ſtecken konnte? O Junge, Brand— wein macht Nerven, ſtärkt's Herz. Wollen heute nein hauen! Gebhard. Ich muß ein Otto werden; der muß ich ſeyn. Glaubſt wohl, daß, ſeitdem ich um den Mann bin, ich immer mächtig angeſpornt ward? Ich ſeh ihn überall, hab keine Ruh, möcht nach der Türkey ganz allein, um Otto zu werden. Und heut kommt's. O Rudolph! Otto oder todt! Denk, was das vor ein Mann iſt! Ich kann ihn Tage lang an⸗ gaf⸗ [64] fen, ſchleich ihm überall nach, geh denn heim und wein, daß's ſo lang dauret. 15 1 © U 1 1 . a, 6. Audolph. Sieh im Gebüſch — da — dort — fieh ein Haufen Volks beym Feuer! Ich muß zu ihnen. O lieber Gebhard, halt den Gaul, da giebts zu Freſſen. Gebhard. Wie die Sonne ſteigt, wächſt mir's Herz. 5 Bald! bald! — will ich groß werden, wie Otto, oder das Knabenleben nicht weiter mehr haben! So ſeh ich den Mann, da ſteht er, ſo, ſo, — und das in den Augen — zerfetzt, und alle Wunden vorn. Möcht ich doch ſo nein alleweile — und wie ihm das überm Auge ſteht — nein gehauen tief. 10 — Davon ſagte mein Vater, er hab's geſehen, wie er drauf den Kerl durchgehauen, fortgewütet, bis ans Ende der Schlacht, ums Bluten unbekümmert. So muß ich ſeyn — es ſo machen — — Horch! kommen noch nicht. Hah recht! ich will meinen Arm ſtärken. Meinen Arm! pfuy, der muß es ſeyn! 15 (Haut Aeſte ab) das gieng durch, flitſch, flatſch — und ſo — und ſo nein — wären ſie da! Rudolph (kommt.) Audolph. Biſt du toll? was machſt du? wart bis heute; wirſt zu thun genug kriegen, [65] junger Eiſenfreſſer, wenn 20 ſie dir nit eins vors Bleß geben. Gebhard. Mags! Bin ich nicht ſtark? ſieh — den Aſt! den! A Audolph. Da hat's Volk ein Lamm geſtohlen, gebraten, gaben mir einen Fetzen und Brandwein. Iſt eine Alte da, 25 redt von Blut und langem Krieg. Gebhard. Oh eine Prophetin Gottes! Audolph. Jetzt auf meinen Fuchs — ein ſtattliches Thier hatt ich da kriegt. Gebhard. Aber meiner, wenn er ſteigt! den gab mir 20 Otto — mein Dank war freudiges Weinen, er küßte mich; da, jagt er, werd ein Mann, werd unter die wenige recht⸗ ſchafne Kerls gezählt, die für Vaterland und Freunde heiß ſtreiten. Hah das faßte ich auf, verſchlangs, hörs immer. Audolph. Hörſt? ſie kommen. Wie ſtehts? 3 Hauptmann. Setzt euch auf die Gäul, ins T — — 39 . 7˙1 Namen! find Schurken, ſtehn da wie die S — — und reiben ſich die Augen. Jagt zu, jagt zu, daß wir bald an ſie kommen. [66] Gebhard. Jag ich dem Otto nach, bis ich den Mann hab, der Mann bin. 5 Siebenter Auftritt. Platz vor Sonneburg. Ludwig. Ludwig. Giſella! warmes, trefliches Mädgen; könnt ich dich noch einmal ſehen, dann ſterben heute für deinen Bruder! Erſt deine Thränen wegwiſchen von den ſchwarzen, jeelen- vollen Augen, um uns und Karln geweint. Oh wie hatten die rothblühende Wangen Thränen, wie Roſen Morgenthau, da ich das letztemal ſah, Liebe! Könnt ich ſie wegwiſchen, mit zitternder Hand, wie damals! Dich und deine Laute in der Hand mit deinem himmliſchen Geſang begleitet, wie ich dich oft ſah, noch einmal ſehen; deine Töne Nächte durch hörte, als wärſt du vor mir, fühlte und genoß — nur noch einmal! — — Otto, biſt zu treflich, verdienſt ſie zu ſehr, ſollſt fie haben, und ſcheide mein Herz von ihr — ſcheide es, : ſcheiden? trennen? — ſollſt ſie haben, bey meiner liebenden Seele! und möchte nur mein Herz keine Wärme, kein Klopfen mehr fühlen, daß ich Ruhe hätte! Otto, wärſt [67] du nicht, und ich hätte das Mädgen, an der meine Seele hängt, könnte, dürfte es immer fühlen, was uns jo groß macht, jo über : uns ſelbſt erhebt. — Otto, und kein andrer kann's ſo weit bringen, weg von Giſella! — — — ſo werde gefochten. Otto. Sind ſie noch nicht da? Tudwig. Ich ſah noch nichts. Otto. Sie müſſen doch bald kommen! Iſt mirs fo: warm ums Herz, ſo ungeduldig. So gehts, wenn man ſo lang nicht dran war, aus langer Weile jagt, aus Müßiggang Bücher lieſt, die die Kerls in Müßiggang gemacht haben. Ein unausſtehliches Leben, da zu liegen wie Pfaffen, und nur — 0 — 5 In — 1 1 [IC] oO — Ul. 7. zu freſſen! Seitdem ich den Biſchof jagen half, war nichts in und außer der Chriſtenheit. Damals wars aber auch, in meinem Leben vergeß ich's nicht. Der Biſchof mit etlichen ritt immer auf mich und Karl, als ſuchte er in unſerm 5 Leben den Sieg. Da ſchickten wir ihn heim, auf Oſtern Meſſe zu halten, ſeitdem ſitzt er ſtille und ſchneidt Gold. Da kommt das in Wurf, und für Karl. Biſt ſo trüb Ludwig! Ein Bräutigamstag und trüb. [68] Ludwig. Ich werds nicht ſeyn, kommts dran, Otto. 10 Es ſoll einen ſchönen Tag geben. Wie wird Giſella weinen? Otto. Sie wirds auch. Wollens aber ſchon machen, daß ſie uns anlächeln ſoll am Ende. Aeutersknecht. Ich hör fie jagen. Otto. Gut, es ſind brave Kerls. Lauft nach dem Fürſt! 15 Hauptmann. Gebhard (Hinten drein.) ſieh den jungen Gebhard, Ludwig; wie er ſchwebt, wahr⸗ haftig es iſt und lebt im Jungen. Hauptmann. Das war gejagt. Wir haben ſie geſehen. Da kommt der Fürſt. 20 Karl. Hauptmann, wie iſt's? Hauptmann. Scheinen ſtärker, wie wir. Aber, was thuts? Was iſt der Schatten gegen den Mann? Blinzen ſie in die Sonne, daß mirs ekelte. War das Feuer nicht, das unſre Leute weckte, eh die Sonne kam. Wir guckten 25 durch's Geſträuch, ich glaub, ſie erzählten einander ihre Träume. Doch ſind Kerls drunter, die hoch gehen; das iſt noch Freude; ſonſt wärs Haaſenjagd! Auch Adelbert dabey. Blunt. Sagt ich's nicht! Nun ſeht, Fürſt! 69] Otto. Teufel, auch der! Wart, wir wollen dich kriegen! 30 Karl. O Vater, armer Vater; biſt in gute Hände ge⸗ fallen, deinen Feind gegen deinen Sohn zu brauchen. Läßt dich einſchläfern und willſt verderben mit uns. Kam er erſt zu mir, mich aufzuhetzen, giengs ihm nicht, und ſo kommt er zu ſeinem Zweck. O mein Vater, die Feinde deines 41 Hauſes, die du klein machteſt, erhebſt du nun auf deinen Trümmern. Kann ichs kaum ertragen. Saht ihr ihn? kannt ihr ihn? Hauptmann. Ich ſah ihn mit dem Grafen, der einmal geächt ward, mit eurem fürſtlichen Bruder, ſie ſchienen ſehr geneigt gegen einander. Der Biſchof drückte eurem Bruder verſchiednemal die Hände, und ſchmeichelte ihm ſo ſüß, wie man einem Weib ſchmeichelt. Ich wollte drunter ſchießen; doch dacht ich, ſchmeichle nur, wir wollen dich ſchon heim ſchmeicheln. Karl. O ſo brich, Herz! ich möcht ihm Luft machen. Otto. Gieb dich, Lieber! Karl. O abſcheuliche Menſchen! ich will euch züchtigen. — Freunde, mein Vater iſt [70] in Noth, ſein Alter macht ihn fehlen, helft ihn erretten! Otto. Das ſoll ſeyn, guter Karl, zweifle nur nicht: ſoll alles ſeyn, mach nur! Karl. Hätt ich den Tag nie erlebt! jo ſeys! Du biſt unſchuldig, meine Seele! zeigt euch, Helden, die ihr Vater⸗ land erretten wollen. Und ihr Männer, meine Freunde; 2 thut's, warum ihr kommen ſeyd. — Schlich ſich der Fuchs ein! Otto. Wollen ihn waſchen. Karl. Otto, Mann, auf den ich Welten baue, der du mir alles biſt, hör, du mußt hier bleiben! Otto. Ich? Karl. Wem kann ich anders das Schloß vertrauen? wem Adelheide? Sieh, du bewahreſt deines Karls Herz. Behalte Mannſchaft und bleib! Könnte es doch ſeyn, daß ſie im Tumult das Schloß überfielen, ſey ihr Widerſtand, Lieber! da fürcht ich nichts. ab.) Otto. Oh den Adelbert, den Adelbert, den ſoll ich nicht. (ab, alle ab, außer Gebhard und Ludwig. Gebhard hält Ludwig.) 71] Gebhard. O Graf, lieber Graf, wenn ihrs thätet. Da hab ich — wir was vor, ſind unſrer viel, und möchten wir uns wegſchleichen, uns mit ihnen meſſen; nicht eher weg— 10 15 35 or 10 30 42 ul, 8. gehn, bis fie weg find, jo weg find, (bläßt über die Hand) oder wir. Und da giengt ihr mit, Graf! führtet uns an, da wüſte Karl nichts von. Tudwig. Braver Junge, wirft gut werden; vortreflich; es blitzt dir aus den Augen, das lieb ich, ſey ſo! Aber warte, du ſollſt dran kommen, und da thu's, werd groß durch Leichen, ſey auf meiner Seite heute! (ab) Gebhard. Das will ich, hätt's aber nicht geglaubt — — Otto, wie er da ſteht, jo ſtattlich, jo groß; wenn ich's nur geben könnte, wie ich's jetzt fühl, daß mirs Herz ſchwillt. Blitzt's vom Auge, ſagſt du ſo? Oh hier, hier flammt's — das läßt ſich nur fühlen, nicht einmal denken — — — Geiſt! Geiſt! ſteige, überſteige, halt mich aufrecht, Otto! Laß mich dir gleich werden; nur nicht ſinken, edel todt, nur 5 nicht ſinken! — — — Wie mich das ärgert; auf Einen Streich ausrichten, und abgewieſen — abgewieſen? werds doch verſuchen, jo jo leite mich! Mein Muth [72] wird ſtark, wüthe Blut! Trometenſchall im Herzen! Es muß was verſucht werden! (ab) Achter Auftritt. Saal. Otto. Normann. Otto. Daß ich hier bleiben ſoll, das will mir nun gar nicht in Kopf; neckt mich immer mehr am Herzen! Nun 5 bey meiner Seel, wenn man jo lange auf was wartet, unds denn kommt, denn nichts. — Doch Karl wills; für den läßt ſich leicht was thun. Das leicht? leicht oder nicht! — Wer das? — Graf Normann, ihr! Normann. Tapferer Otto, ich ſuch' euch. Otto. So Graf; Glück für euch, oder mich? Wo kommt ihr her, eben jetzt? Geſchäfte des Hofmanns? mandirt und kommandirt? allzeit rüſtige Leute, in Geſchwindigkeit Be⸗ fehle auszurichten, und Leute zu verwickeln! Normann. Ich komm vom Herzog. Iſt der Prinz noch 1. 8} 3 nicht da? Sie ſagten, er ſey bey ſeinen Leuten, ſchickten mich hieher, ihr wäret hier. 73] Otto. Gut; iſt nach ihm geſchickt? Normann. Ja. Wie ſtehts um euch, Otto? Otto. Fragendes Geſchmeiß! Wie um einen Soldaten, der Muth hat, und von Herzen gern dem erſten beſten Schurken, der ihm in Wurf kommt, den Hals bricht. So ſtehts um mich. Wie ſtehts um euch? Sitzt ihr Haken⸗ feſt in der Gunſt des Herzogs und Konrads? Ich glaub, ihr habt viel zu thun jetzt, den Leuten dort das Ding ſo Recht ans Herz zu legen; beredt zu zeigen, daß ſie Recht thun daran, gegen uns alles zu unternehmen! Kennt ihr den Biſchof Adelbert, geſchwinder Hofmann? Normann. Ich hab hier einen Brief an Ludwig. Otto. Eine ſchickliche Antwort! Normann. Giſella gab mir ihn. Otto. Was? Giſella? Normann. Ich weiß nicht, was ſie mit einander haben. Doch läßt ſich's leicht errathen. Otto. Normann! Normann. Seit ihrer letzten Zuſammenkunft hat Giſella keine gute Stunde mehr. So [74] machts die Liebe. Da kam — drauf ein Brief von Ludwig, und hier ſchon wieder die Antwort. Otto. Normann! Normann. Ich hätt's in meinem Leben nicht geglaubt, daß Giſella geheime Zuſammenkünfte verſtattete. Aber der Ludwig mit ſeiner ſüßen Miene — oh ich kann die Kerls nicht ausſtehen mit ihren Mädgensgeſichtern! Otto. Normann, ſey auf deiner Hut! Du haſt mir da was geſagt, das mich in ein raſendes Thier verwandeln könnte. Sind ſie beyſammen geweſen, Ludwig und Giſelle? ſind ſie insgeheim beyſammen geweſen? aus Liebe? Normann in dieſen Worten liegt — Geduld! Geduld! antworte! or — 44 II, 8. Normann. Lieber Otto, es ift kein Geheimniß mehr an unſerm Hof, ſeitdem man fie beyſammen ſah. Es werden wunderliche Dinge drüber geſprochen. Otto. Das wurmt mir am Herzen! Sie liebten ſich? Normann. Wer weiß das nicht? Der Herzog und jeder⸗ mann. Sie iſt einem Manne beſtimmt — 75] Otto. Sie liebten ſich? Giſella den Ludwig? den Lud⸗ wig, Normann? Normann ſag ein beßres Wort, ich bitte dich, ſag, ſie thun's nicht! Normann. Es iſt ſo. Otto. Nein, nein! Normann. Nun, was kümmerts mich! Wär nur Lud⸗ wig da, daß ich ihm den Brief gäbe, ehe Karl käme. Doch, der weiß davon. Otto. Komm, ſags noch einmal, und noch einmal, ſchrey daß es wiederhalle, ſie lieben ſich. — Was kümmerts dich? oh wärſt du verdammt, daß du's ſagteſt! Geh mir aus den Augen, oder dein Botenlohn möchte blutig ausfallen. — — Normann, ſie lieben ſich? ſahſt du's? hörteſt du's? Normann. Otto, alles ſah und hörte ich, wie ſie's ausmachten untereinander, über einen Mann lachten, von welchem bekannt iſt, daß er Giſellen liebt und ſie verdient. — — Otto, heute in der Schlacht iſt Giſella die Belohnung — Otto. Hah, was geht mir auf! Normann. Zieht ihr nicht mit? [76] Otto. Nein! Normann. So? fein eingefädelt. Freylich, er muß den Anſpruch dadurch allein haben, und euch werden alle Forder⸗ ungen auf Belohnung abgeſchnitten, wie ſie das ausgedacht haben! — Euer Blut floß oft für Karln. Otto. Normann! Normann. Was ſchierts denn mich, obſchon Konrad und der Herzog andre Abſichten haben. Es iſt ein Mann, wenn der wollte Freund ſeyn — II. 8.] 45 Otto. Normann, das Ding macht mich wahnwitzig. Normann. Lieber Otto, die Menſchen machens nicht an⸗ ders. Ihr habt viel an Karln gethan: nehmt die Belohnung hin! Er macht euch zum Wächter des Schloſſes und Weibes, ſetzt euch hin als einen verbrauchten Soldaten! Otto. Trau Freunden nicht honigſüß, behäng dich nicht mit Weibern! — Alte Hexe, das ſagt dir der Teufel — verzeih, ich that dir Unrecht, du biſt eine Prophetin. Normann. Je mehr ihr ihnen gutes thut, je ärger ſie's euch machen. Es iſt ein verfluchtes Ding um den Menſchen; mir giengs [77] auch fo, mich haben ſie's fühlen laſſen, noch ärger als euch. Otto. Nun ſeh ich durch. Ludwig (tritt auf.) Tudwig. Lieber Otto! Otto. Lieber Ludwig! Tudwig. Was fehlt euch? Otto. Du ſollteſt deine Seele ausſpeyen, du — Normann. Willkommen Graf, iſt der Fürſt nicht zurück? Tudwig. Er kommt. Normann. Hier, geliebter Ludwig, ein Brief, der eure Bruſt heben wird. Giſella kann nicht ruhen; ihr habt der Fürſtin Herz und Ruh geſtohlen. Tudwig. Was ſoll das? Normann. Nicht ſo fremde! Es war ein ſchöner Abend, Graf, damals als ihr und Giſella in der Laube zuſammen kamt. Und freuen wirds euch, wenn ich euch ſag, daß dies der einzige Ort iſt, wo fie ſich aufhält, [78] wo fie Stunden lang weint, ſich nach euch umſieht — — 0 15 1 [371 Otto. Trau Freunden nicht honigſüß, behäng dich nicht 30 mit Weibern! Oh Worte Gottes — — das wütet in mir! (ab) Ludwig. Wer gab euch den Brief? Normann. Giſella. 46 Karl (tritt auf.) Tudwig. O Bößpwicht! (ab) Karl. Graf, was bringt ihr? iſt eure Botſchaft gut, ſo eilt! 5 Normann. Wär ſie's, hättens meine Augen gejagt. Karl. Sprecht. Normann. Der Herzog euer gnädiger Vater ſchickt mich, euch die letzte gütige Vorſchläge zu thun. Fürſt! ihr ſollt Adelheide abſchwören; die Waffen niederlegen; zu eurem 10 Vater ohne Gefolg kommen und Abbitte eures Vergehns thun, euch denn ſeinem fernern Gericht unterwerfen. Karl. Gütiger Gott! Normann. Was ſoll ich antworten? 79] Karl. Das kann ich nicht. Alles andre, aber Adel⸗ 1s heiden laſſen — niemals. Normann. Euer Vater iſt da mit ſeiner ganzen Macht. Karl. O Schändliche, die ihr das alles thatet, ohne daß euch das Gewiſſen zuruft, ihr begehet Vatermord. Normann. Prinz, ihr kennt euren Vater. 20 Karl. Hab, ich kenne euch! Laßt euch in die Augen ſchauen, ſcharf in die Augen ſehn — ſo, ſo, recht, ihr ſeyd Normann. Normann ſeyd ihr. Normann. Prinz, welche Begegnung! Karl. Sag, wie kam der Biſchof zu meinem Vater? 25 Normann. Fragt euren Vater! Karl. Mich und ihn zu Grunde zu richten. Normann. Das liegt an meinem Prinzen und ſeinem Muth. Entſchließt euch! Karl. Normann, ich möchte dein Herz nicht haben, und 30 legteſt du die Welt zu meinen Füßen. Und du fühlſt kein ängſtliches Klopfen, kein Zurufen, daß du ein Mörder biſt? Das alles jagt dir dein Herz nicht? Nor- [80] mann, rächt dich Gott nach der Strenge, biſt du der verdammteſte unter den Sündern. 47 , 9. Normann. Prinz, wer ſchickte mich? Karl. Wär dieſes nicht, du ſollteſt nicht von der Stelle kommen. Geh hin, Normann, nur bitt ich dich, ſchone meines Vaters! Laß deine Bosheit nicht ſo weit gehen! Thu's und ſey ein Engel unter Böſewichtern. 5 Normann. Was ſoll ich eurem Vater ſagen? Karl. Normann, dir und uns wäre beſſer, hätteſt du den Stahl im Herzen, und bekennteſt deine Sünde. Normann. Hier bin ich, wenn ihr's wagen wollt. Karl. Geh; ſag meinem Vater, nein, nicht meinem Vater, das merk dir wohl! Sag dem Heuchler Konrad, dem Biſchof Adelbert, beyde deine Freunde, ſie möchten ſich fertig halten! Den Biſchof dächten wir eine weite Reiſe zu ſchicken, und unſerm Bruder was anders zu lehren. Veränderſt du ein Wort, ſo halt dich fertig, wenn wir uns 15 wieder ſehn! — 0 (Normann ab) [S1] Karl. Oh, daß ich fie ſehen muß, mit Augen, die meinen Untergang ſuchen, daß ich ſie ſehen muß! Gütiger Gott! jo iſts nun, jo iſts. Gegen meinen huldreichen Vater: gehn — bewahre meine Hand im Streit für Mord des Vaters und Bruders! Mache alles klar! ich gehe, ich kann nicht anders. (ab) 1 D Neunter Auftritt. vorm Schloß. 25 Otto. Otto. Das treibt mich um, wie die Verzweiflung. Brüll, brüll, brüll, Otto! — hah daß ſie ſterben für'm Geſchrey — alles, alles wahr! Der Milchjunge meiner ſpotten! lachen — und betrogen — — ha, ha, ha, was die Menſchen für 30 Teufel ſind, im Habit eines Heiligen! Pfuy, pfuy fürm Men⸗ ſchen! — — das macht mich toll, vor meinen Augen — Gebhard. Reutersknechte. Gebhard. Hah! laßt mich, mein Schwerd! unſre Schwerdter! 48 III. 9. wir wollen ja die Feinde angreifen. Laßt uns, laßt uns, oh laßt uns; wir kommen ja wieder oder todt. Mein [82] Schwerd, mein ſchönes großes Schwerd gieb mir Rudolph. Wo wollt ihr hin mit uns? 5 Audolph. Graf Otto; denkt! Otto. Ich kann nicht. Reuter. Graf Otto, hört mich! die wollten durch, heim⸗ lich durch den Wald zum Herzog. Alle. Nein, nein! 10 Gebhard. Das wollten wir nicht. Gebt uns unſre Schwerdter! Otto, hier knie ich vor euch; großer Otto, nehmt euch des armen Gebhards an. Ich wollte an ſie, und ſie fiengen mich auf. Reuter. Sie wollten durch, der Fürſt mag richten. 15 Gebhard. Hört mich, Otto, großer Otto, hört mich! Mir ſchwindelt, wenn ich euch anſeh. — Heut ſagte ich zu Ludwig, wir wollten ausziehen heimlich, und Vorleſe machen, er ſchlug mirs ab. Und da wollten wirs doch thun. Karl. Wo ſind ſie? 20 Gebhard. Sie haben uns unſre Schwerdter genommen, weil wir ſtreiten wollten mit [83] euren Feinden. O laßt uns die Schwerdter geben! wir wollen ja warten. Reuter. Sie wollten durch. Gebhard. Nein Fürſt, eher wollten wir alle ſterben, 25 nicht vorm Feind ſterben. Wir wollten nur ſehen, wo ſie wären. Karl. Ich verzeih euch diesmal. Kommt, eilt! Otto, lebe wohl. Schütze Adelheide und tröſte ſie! Sollt ich un⸗ glücklich ſeyn, ſo flieht nach Burgund! Leb wohl, edler Otto! so Du ſollſt deine Freude ſehn, kommen wir wieder. (alle ab) Otto. Otto, wie ſtehſt du da? wie ſtehſt du da! Schloß⸗ wächter! Schloßwächter! (Trommeten) Hah blaßt, blaßt und Be f II, 10. krepirt! wieder — wieder — noch einmal — oh blaßt mich um den Verſtand! Der Schall, der mich dahin riß, mein Blut belebte — — oh, oh, oh! Zehnter Auftritt. Saal. Otto. Reuter. Reuter. Es iſt herrlich anzuſehen, ſieh, ſieh dahinaus — oh wär ich dabey! | [84] 2. Reuter. Und ich! Wir wollen aufn Thurm, kann man's beſſer ſehen. (ab) Otto. — — — Leg dich ſchlafen — — oh dieſes tiefe, tiefe Leiden! — mein ehrliches Herz ſo betrogen. Reuter. Welcher Aufzug, das Herz ſchlägt mir für Freuden. Wie das gieng, ſo was zu ſehen, ſchon ſind ſie den dicken Wald vorbey, ziehen die Ebene hinunter. Man ſiehts vom Thurm, wie ſie losſtürzen wollen. Werden Arbeit machen, und ich hier! Otto. Geh ſchlafen! Werds auch thun. (Reuter ab) Otto. Schlafen! hah! — an einander, fie fechten, und ich?: (ſieht ſich an) was iſt das? dies ein Schwerd, das ich hier an meiner Seite hab? ein Schwerd, zu was? zu was? Du haſt ein Schwerd, und weißt nicht zu was. ler ziehts, ſetzts auf die Bruſt.) Durch! durch! — nein, nicht, unmännlich, ſchimpflich, ohne Rache! (ſteckts ein, wirfts weit weg) Ich ſehs noch, darf nicht. (holts wieder) Komm! ſo, ja ſo, einwickeln, einwickeln will ich dich. (reißt den Mantel aus, und wickelts ein) o du gutes Schwerd! ſo viele ſchickteſt du zu den Schatten, und nun — verbirg dich, hinein; ver⸗ [85] birg dich, ſag ich, hurtig, daß ich dich nicht ſehe! (läßt's verſchiednemale fallen) wie? du widerſtrebſt! halsſtarrig? — widerſtrebe nicht, gutes tapferes Schwerd! geh geduldig; ich muß mich auch gedulden. Hinein, hinein! mein naſſes Auge ſoll dich nie wieder ſehen. Was? Litteraturdenkmale des 18. Jahrhunderts. 1. 4 iv =] 50 III, 11. 12. hah! hier eine Thräne, und hier eine, und hier eine? Weib! Weib! auf das Schwerd! Nimms nicht übel, liebes gutes Schwerd, ſollſt Blut haben! Komm mein Schwerd — nicht Schwerd, nicht, nicht. Leiche von einem Schwerd; frißt 5 fein Blut mehr. Komm, du treuer Gefährte meiner edlen Thaten! itzt kennt dich niemand mehr, wie den armen wahn⸗ witzigen Otto. Armes Schwerd! armer Otto! Ha! ha! ha! Eilfter Auftritt. Lager. 10 Herzog. Reuter. Herzog. Könnt ich's vergeſſen, könnt ich's. Aeuter. Er greift uns an, gnädiger Herr! ſind da mit Macht. Herzog. Vaterherz, armes Vaterherz; losreißen, mit Ge⸗ 15 walt losreißen muß ich dich! Laut ſchreyen: dein Sohn, Vater! dein Sohn [86] ſucht dich zu tödten. Dein Sohn! — Feind! Feind! Feind! nicht mehr Sohn, tilg ihn aus! Nähere dich, Feind; hier ſteht der alte Mann, erwartet den Tod von deinen Händen. Deine Hand bebt zurück — ſtoß 20 zu! zu! durch's Vaterherz — ſchrey Sieg, Sieg, Sieg über den Vater! oh, das iſt ſchändlich, über den Vater! Aber nein, bey Gott dem Allmächtigen im Himmel, nein — Vaterherz, weg, weg, weg. (ab) Zwölfter Auftritt. 25 Adelheide. Otto. Adelheide. Verzeiht mir, wenn ihr mich traurig ſeht, es kann nicht anders ſeyn. Otto. Nein, nein; weint nur immer! weint nicht — nein! Sie ließen mich da, euch zu tröſten; ich wills, ich 30 wills, ich will euch tröſten, aber ein Soldat kann das nicht gut. Sagt mir einmal, wie ſieht ein Mann aus, den ſeine Freunde hintergehen, ſchändlich betrügen? * 1, 18) EL Adelheide. Lieber Graf, was iſt euch? Otto. Nichts, nichts, ihr habts noch nicht geſehen, ich merks ſchon. Ihr wißt's [87] alſo nicht, gutes Weib? ihr ſeyd ein gutes Weib. Was halt't ihr von einer Weiſſagung, die jo lautet: trau Freunden nicht honigſüß, behäng dich 5 nicht mit Weibern! Was halt't ihr davon? Sie wurde einem verachteten Schloßwächter gemacht, einem hintergangenen treuherzigen Mann. Adelheide. Otto! was ift euch? ihr ängſtet mich. Otto. Das will ich nicht, nein. Es giebt keinen Teufel, Adelheide, das wäre Ueberfluß. Seht nur, wie ſie einander quälen und martern. Sich ein Haufen vereinigt, einen guten Kerl in die Mitte nehmen, und ſo lange an ihm petzen und ihn drängen, bis ſie mit ihm fertig ſind. Deuter. Otto, Otto, das war was! wie er purzelte, ein prächtiger Ritter; ich ſah ihn genau, bunt, wie ein Specht; gepuzt wie ein Pfau, voll Pracht der ganze Mann. Er ritt einen Schimmel, wie drunten der im Waffenſaal, wo der ge= panzerte Heilige drauf ſitzt. Einer unſerer Leute ſprengte auf ihn, ich glaub, es war Ludwig, der empfieng ihn. Er 2 hieb nach ihm; huſch, war er weg! Ich konnte ihn nicht mehr ſehen; der Schimmel lauft le- [88] dig, und Ludwig war gleich über einen andern her. Kann nicht warten. Ver⸗ zweifelt, wenn ich nur dabey wäre! (ab) Otto. Wärſt du verdammt! (ab) 25 — o — * S Dreyzehnter Auftritt. Schlacht und Tumult. Biſchof (verkleidet). Biſchof. Prinz, tapfer! oder wir find alle verlohren. Aeutersknechte. Schmeißen uns alle todt. Wären wir 30 daheim! Gebhard. Ha, da wirds. Kommt. (haut nein) Blunt. (hinter Konrad) Sollſt mir nicht entgehn. 52 [I, 14. Gebhard. Wiſch, nimms! Stärk mich Otto. Hah durch! eins, zwey, drey! ſchlaft den ewigen Schlaf! Biſchofs Leute. 1 Reuter. Gieb ihm eins! 5 Gebhard. Er ſchweißt nur, du Hund, ſollſt mirs be⸗ zahlen! Krabelſt bey der Erde? (Herzog und Walldorf fechten. Walldorf fällt.) [89] Herzog. So, nieder mit dir! Wer biſt du? Walldorf? Nun Walldorf fahr wohl, fahren Verräther wohl. Ich 10 macht dich groß und klein. Ludwig (tritt auf.) Wer biſt du? Tudwig. Fragt nicht! (will ziehen, erkennt ihn) Dazu hab ich keinen Befehl von Karl, edler Herzog. 15 Adelbert. Gnädiger Herr, geht alles verlohren. (ab) Vierzehender Auftritt. Otto. (vorm Schloß.) Otto. Brich, feſtes, unüberwindliches Herz — — hier wirf dich hin, Wurm mit der Niejenjeele und krepir! (wirft 20 ſich an einem Baum hin) keinen Menſchen beleidigt — — Menſchen, Menſchen! Morden will ich den, der ſagt, der Teufel ſey in der Hölle; morden, wers glaubt. Da kommt einer. Aeutersknecht. Seyd ihr Otto? 25 Otto. Spottſt du meiner? ich wars. Aeutersſinecht. Hab Gruß und Brief von Prinz Konrad, und Normann. [90] Otto. Laß ſehen! (lieſt) Will ers! will er's! fo wollten ſie's machen? Das wars, das! Nun, ſo hohl der Teufel zo ſie und alle — Hah, ich kann's länger nicht aushalten. Hätt ich den mächtigen Donner, ich wollt dich zuſammen wettern, verdammte Welt, und dich, Ottergezücht von Menſchengeſchlecht, dich wollte ich wettern. II, 15. 16. 17.) 53 Funfzehender Auftritt. Reuter. 1. Aeuter. Schenkt Sieg, ihr Heiligen! Ein heißer Tag, mir iſt's ſo warm ums Herz, als wär ich im dickſten Ge— dränge, wenn Karl geſchlagen würde! — 5 2. Reuter. Ohnmöglich. 1. Keuter. Aber habt ihr nichts an Otto bemerkt? ich wag's kaum, zu ſagen. Vielleicht auch, daß's verbißne Wuth iſt, weil er nicht dabey iſt! 3. Reuter (kommt.) 10 3. Reuter. Otto iſt fort in Eil. Kam ein Junge; er gleich aufn Gaul, und fort. 2. Reuter. Was ſollen wir machen? 91] 1. Reuter. Unſer Leben nichts achten, und's Schloß bewahren. 15 2. Reuter. Laßt die Fürſtin nichts hören! Sechzehender Auftritt. Otto (auf einer Anhöhe). Otto. Das geht, ſoll ich hin? ja, ja! Karl, wirſt du geſchlagen, iſt's aus mit dir. Verräther, wie er ſteigt! — 2 — Ludwig! fall, fall, daß Gott gäb, könnt ich dich erreichen! Oh er ſtürzt, nein, der andre. S — — kerls, daß euch das Wetter erſchlüge, könnt ihr ihn nicht herunterreißen (knirſcht mit den Zähnen). Was? was? ſie fliehen — — Karl Sieg! o Schurken, Schurken — Hab, fie leben für meine 25 Rache. Fort, nach Konrad! Flucht! der Otto auch. Jag Horſt N O Siebzehender Auftritt. Biſchofs und Herzogs Teute. Laßt uns hier verſtecken, kommt keiner davon, den ſie kriegen. Gebhard. Blunt. Ludwig. Viele. 30 [92] Wonne, Wonnetag. Blunt, Mäuſe in den Löchern! wollen ſie hetzen, gehn ſie nicht heraus. (haut ins Gebüſche) Bi. nur, 1. (Schreyen inwendig.) Gnade! Gnade! wir wollen feine Hand anlegen zur Wehr. Gebhard. O jo hohl euch der Teufel, Weibsvolk! Karl. (mit Volks) Laßt ab, verletzt keinen mehr! Mehr 5 wollt ich nicht. (Schreyen alle) Sieg! Sieg! Dritter Aufzug. Erſter Auftritt. villa bey Rom. 10 Wieburg. Hungen. Marie. Konrad. Hans. Franz. Andre Kinder. Franz. Lieber Vater, laßt mich! Ich werd nun immer älter und größer, und was ſoll das Leben hier? Laßt mich nach Deutſchland mit den jungen Edelleuten; ich habs ihnen 15 zugeſagt auf euer Wort. Es giebt von neuem Krieg, [93] und Adelbert iſt drinnen verwickelt; das läßt mich nun Tag und Nacht nicht ruhn. Laßt mich alſo mit Ehren ein Mann werden! Hans. Und mich, lieber Vater! kann ich Haaſen ſchießen, 20 kann ich auch den Adelbert — Wieburg. Hungen, gilt mein Wort etwas bey euch, und hat Kraft, ſo laßt den Burſchen gehen, jetzt, da's in ihm kocht! Hier könnt ihr doch nichts aus ihm machen, als einen Pfaffen, Pagen oder ſo was; da frißt er denn unverdientes Brod, 25 und ſeine Kraft ſchläft mit ihm; und Schade fürs kleinſte Flämmchen, das der Welt geraubt wird! Hans. Hab ich auch ſo was, Wieburg? Hungen. Ich verſprach's, und hatts ſchon lang beſchloſſen, ihn zu Karln zu ſchicken, den der böſe Adelbert bey ſeinem 30 Vater gern klein möchte machen. Marie war nicht dazu zu bringen. Hans. (darzwiſchen) Auf mich ſieht kein Menſch! Vater 55 ee mu ſagt mir das: wie hieß der, er weinte immer, wenn jein Vater einen Sieg erfochten? Hungen. Alexander Magnus. Hans. Was heißt Magnus! 94] Konrad. Du weißt doch gar nichts — Der Große! 5 Hans. Der Große! das wirfſt du ſo hin, der Große, als ſagſt du: das alte Weib — hättſt du Seel und Herz dafür — der Große! das laut mir ſo wunderbar, iſt mir ſo wunderbar dabey — Alexander der Große! — mich heißen die Jungen Hans der Starke, iſt doch auch was! 10 Franz. (darzwiſchen) Liebe Mutter, laßt euch erbitten, mich von euch zu laſſen! Ich komm wieder, ſo bald ich gezeigt hab, daß ich ein Sohn des Hungen bin, und ſeiner würdig. Ich ſchäm mich ſchon jetzt, daß ich noch nichts gethan hab. In meinen Jahren ſtund mein Vater ſchon für Vaterland und Freunde. Ihr kennt den redlichen Fürſt Karl. Abel- bert möchte ihn zu Grunde richten; ſollte mich das ruhen laſſen? Wenn ich nur einen ſeiner Feinde erlegt hab, will ich wieder kommen. Hans. (darzwiſchen) Der Große! Nit wahr, Konrad, er 20 war größer an Thaten als Körper? Konrad. Freylich! fie jagen, es ſey ein kleines Männ⸗ chen geweſen — nicht ganz klein: vielleicht ſo wie unſer Vater. [95] Sans. Das war brav von dir, Alexander! du biſt mein Mann! Schreib mir den Namen mit recht großen Buch- 25 ſtaben; da will ich ihn an mein Bett hängen, des Abends anſehen, und davon träumen des Nachts. Aber wo weißt denn du alles das her? Konrad. Aus den Geſchichtſchreibern. Hans. Was ſind denn das? 30 Konrad. Das ſind Leute — ja es ſind Leute, die ſchreiben auf, was die Leute thun in ihrem Leben, aber nur, was große Leute thun, ſo wie dein Alexander Magnus. Hans. Die müſſen wohl wenig zu thun haben und thun — * 56 (TIL, I. wollen, wenn fie aufſchreiben, was andre thun. So feiner mögt ich eben nit ſeyn. Du kannſt einmal aufſchreiben was ich thu, ſiehſt juſt aus, wie ein Geſchichtmann. Konrad. Schweig du! Komm, ich will dir das Bild 5 zeigen vom Alexander. Hans. Das Bild? ſein Bild? ihn ſelbſt? (ab beyde Marie. (darzwiſchen) Franz, ſieh, du überlegſt das alles nicht. Dein Vater war auch ſo, und immer noch, da er ſchon mein Mann [96] war. Für alle zog er aus, und 10 freudig. Was hat er nun davon, als Leiden und Schmerzen? Du weißt, was er für den Biſchof that. Franz. Dafür will ich ihn vorfordern, o laßt mich heute noch mit den jungen Edelleuten! gebt mir euren Segen; und ich geh! 15 Sungen. Marie, laß ihn! Es iſt ſeine Beſtimmung, und dafür brachten wir ihn zur Welt. Wir ſitzen nun ruhig hier. Unſers verſtorbenen Bruders Güter reichen vollkommen zu unſerm Unterhalt, und drüber. Er mag gehen; gefällts ihm nicht mehr, zurückkommen, und hier mit uns leben. 20 Franz. Mutter, laßt euren ältſten Sohn dem Hauſe kein Schimpf werden! Wieburg. Nun, Marie, was wollt ihr anders mit ihm machen? Er ward fürs Vaterland gebohren, wie wir alle. Daß man uns verſtieß, mag er rächen, wenn's ihm gegeben 25 iſt, und ich hoffs. Auch verſtießen ſie uns nicht alle. Wären wir alle bey Karl, er würde uns lieben und ſchützen. Er war immer die Redlichkeit ſelbſt. Marie. So ſeys! ihr wollt nicht anders. Franz, mir deucht immer, wir ſehen uns nicht [97] wieder. Oh daß ihr 30 nicht zu überreden ſeyd! ſo geh, Gott ſey mit dir, es iſt nicht anders. Hungen. Weine nicht, Marie! Du ſiehſt ihn als Mann wieder. Segne dich Gott, mein Sohn! Lebe edel und ge— recht; wandle auf des Herrn Wegen, er wird dich nicht 35 verlaſſen. Du ſahſt deinen Vater in tiefem Leiden, mein 7 IH, 1. 57 Sohn; aber ich hofte und harrte ſeiner Hülfe, er kam und errettete mich mächtiglich. Laß ihn deine Stütze ſeyn; ſieh auf ihn, wenn die Menſchen dich necken, denen du nicht ausweichen kannſt! Denk immer, du ſeyſt hier zu leiden; leide denn, und ſo, als hätt's dich nicht betroffen; darin 5 liegt das Unterſcheidende vom Schwachen! Sey ſtark, und ſchone des Schwachen. Sey ein reißender Strom gegen die Feinde des Vaterlands; aber ſey gleich dem lieblichen Weſt denen, die deine Hülfe ſuchen! Liebe Gott! er ſegne dich, Amen! verſiegelt mit dieſem Kuß! 10 Franz. Ich bin reich, Vater; reicher, als einer auf Erden. Gott laß mich ſo leben, und werden; oder reiß mich gleich bin, noch ehe ich dieſe Grenze verlaſſe! Mutter, liebe Mutter, euren Segen! [98] Marie. Gott ſegne dich! (küßt ihn und weint) ich kann 15 nicht reden; du nimmſt mein Herz mit. Denk deiner Aeltern, und kehre bald zurück! Wieburg. Laß dir noch was von einem alten Manne ſagen, deſſen Haare weiß worden ſind! Ich ſah Menſchen, und ihr Weſen. Sah ſie mannigfaltig, Gute und Böſe. 20 Geh mit Menſchen um; ſie gewinnen immer durch den Umgang mit einzelnen guten. Trage Theilnehmung, wohin du trittſt, und pflanze Freude, wo du warſt; denn hinter⸗ läßt du herrliche Spuren. Vornemlich, junger Menſch, hüte dich für Bitterkeit und Widerwärtigkeit des Gemüths; 25 denn du ſchadeſt dir und andern. Dieſer Vorwurf würde mich in meiner letzten Stunde brennen, hätte ich mich ſein ſchuldig gemacht. Sey ein rechtſchafner Kerl, und liebe Gott; denn biſt du geborgen! Erfülle ſeinen Willen! Laß dir die Worte deines Vaters tief ins Herz geſchrieben ſeyn, 30 als Gottes Wort; ſo wirſt du zu uns kehren, eben ſo edel und unſchuldig, wie du jetzt biſt. Ich werde dich nicht wieder ſehen, denn meine Jahre ſind hoch, und mein Haupt neigt ſich zur Erde. Nimm dieſes Schwerd, meine andre Rüſtung, in der mir [99] als Jüngling das Herz klopfte. 35 Nimms und geleite dich Gott! (küßt ihn) vu III. 1. Franz. Dank euch! o Wieburg! Vater! Mutter! Hier bin ich vor euch; rufe Gott an, mich ſtark zu erhalten in meinem Vorſatz! Betet für mich! Wo ſind meine Brüder? Hans. (gelaufen. Alexanders Kopf in der Hand.) Mein 5 Alexander! Konrad. Vater! Vater! der Hans hat mirs Bild aus'm Kurtius geriſſen, mein ſchönes Buch. Hans. Mein Alexander! Wieburg. Seht den Jungen an! 10 Hungen. Er iſt in Entzücken verlohren. Konrad. Gieb mir mein Bild! Hans. Eins vorn Kopf! — Mein Alexander! Konrad. Mein Bild! Wieburg. Ich kauf dir einen neuen Kurtius. 15 Konrad. Es war eine Eklzeviriſche Edition. Hans. Mein ſchöner, großer Alexander! ich möchte dich wohl einmal küſſen — aber ich wills nit wagen, großer Mann! knien will ich [100] vor dir. (kniet fh) Mein Alexander! — Dieſe breite hochgewölbte Stirne! — dieſes volle 20 Auge! eine Feuerflamme ſtrahlt heraus, und ich bin ent⸗ zündet. Ein Blitz! — — Dieſes große! all dieſes unaus⸗ ſprechliche! helft mir reden, mein Vater! Wieburg, helft mir reden! nein, genug — mein Alexander! — Dein Ge⸗ ſchichtsmann ſagte, du ſeyſt mehr verwägen, als tapfer geweſen. 25 Der Schurke! — mehr verwägen als tapfer! nun weiß ich zwar ſelbſt nit, was das heißt, doch wär ich's auch, das iſt gewiß. Oh hätt er dich ſo in der Hand gehabt: das in mir iſt, in ſich gehabt — Mein Alexander! Wieburg. Hans! ſiehſt du niemand mehr? deinen Bru⸗ 30 der nicht? Hans. Aber ſagt mir, mein Vater, was ſoll dieſes Band um meines großen Alexanders Kopf? Hungen. Er war ein König, und die Könige trugen ſolche Bänder, die man Diadema nannte. III. 2.] 59 Hans. Ein König! Ich wollte, du wärſt kein König geweſen, mein Alexander. Hungen. Warum mein Sohn? 101] Hans. Da könnt ich auch ein Alexander werden. — Nun ſollſt du mir nit mehr aus den Augen kommen, mein 5 Alexander! Der große Alexander; und ich, der ſtarke Hans! Franz. Koſtbarer Bruder! Hans. Sieh ihn an! Franz. Ich geh nach Deutſchland. Leb wohl! Hans. Ich geh mit. 10 Marie. Willſt du auch deine Mutter verlaſſen? Hungen. Du mußt noch warten. Noch zwey Jahre! Hans. Ein Tag zu lang, und zwey Jahr! Marie. Du ſollſt einen Alexander haben, ins Lebensgröße! Hans. Und ich ſtünde vor ihm, als ein Schurke, ein 15 feiger ſchläfriger Bube, und auch in Lebensgröße. Hungen. Du biſt noch zu jung. Hans. Da taugt man eben! In die Schule geh ich doch nit. 102] Franz. Lebt wohl! lebe wohl, Bruder, weine nicht! 20 weint nicht! ihr macht mich weich. Ich muß mich losreißen. Marie. Ich ſeh ihn nie wieder. Franz! Franz! Hans. Mein Alexander! nun muß ich auch weinen. Zweyter Auftritt. Adelbert. Normann. 25 Normann. Meynt ihr, daß Otto immer hält? Adelbert. Er iſt feſt bey uns. Sie hat ihn mit Stricken befeſtigt, die er nicht zerreißt. Und ſein kochendes Blut, das wir immer in Wallung erhalten, ſichert uns. Das war ein guter Fang! Jetzt denkt er nichts, als Rache und Liebe. 30 Es geht wunderbar in ihm herum; deſto beſſer! Vergeßt nur nicht, ihm immer was vorzuwerfen, da mag er mit der 60 III, 2. Luft hadern; in die Luft bellen, bald brauchen wir ſeiner; da iſts ohndieß bald aus. Normann. Konrad muß heraus. Immer Religion und Gottesfurcht im Munde, und doch hat ers im Herzen. Er 5 kommt. 103] Adelbert. Guten Morgen, Prinz! Wohl uns, daß wir euch wiederſehen! Ihr ſeyd ſo ſelten, daß es einem ſchwer fällt, euch zu kennen. Konrad. Die Troublen ſind zu ſtark. Da und dort zu 10 thun, und doch kein Ende. Adelbert. Und er will ihm die Regierung abtreten, der alte Herzog? Konrad. Er will. Adelbert. Oh, daß ich das erleben muß an euch, Konrad? 15 fürſtlicher Konrad, an euch! Konrad. Es iſt ſo! Adelbert. Es iſt ſo? Und das ſo kalt, Prinz! ſo kalt — es iſt ſo, verdammtes es iſt ſo. Als ſeys um eine Hand voll Nüſſe zu thun. Dem Karl die Regierung! Oh wäret 20 ihr Prinz, wolltet es ſeyn; wolltet es wiſſen, was das heißt, Prinz ſeyn, und dächtet uns nach, thätet uns nach! Aber ſo, mags ſeyn, mags ſeyn! Und doch kann ich nicht dran denken, ohne Bitterkeit, ohne peinigende Bitterkeit. Dem Karl! Feind Gottes und eurer. Und hier ſteht Konrad, 25 von Gott erleſen, ausgerüſtet zu herrſchen, und doch nicht, weil ſeine Seele ſchläft. Oh eines Prinzen Seele! — Schlaf und hier ein Schritt, ein kleiner Schritt zu [104] einem weiten Herzogthum! Könnt ich ſie aufwecken mit dem Ruf: Konrad du biſts, ſollſt's ſeyn, mußt's ſeyn. 30 Normann. Lieber, laßt's! Adelbert. Wenn euch einer ein Herzogthum erhielte, das ihr durch die Finger fallen laßt. Normann. Adelbert, ihr zieht Schaamröthe und Unwillen auf ſeine Wangen. Hah! er fängt's an, zu fühlen — 35 fühlt's. Steigt Prinz, ihr ſeyd ſicher fürm Sturz. III. 3.] 61 Kouteb. Kein Geiſtlicher lügt; die Stund ift da, ich hör den Ruf. Geſchehen, geſchehen — ich will. Bietet mir eure Hände! Normann. Kommt, wir reden weiter! Mörder. (zu Normann) Er iſt geliefert! Hier der Brief. Normann. Gelegen! Komm hernach zu mir! or Dritter Auftritt. Rothenburg. Giſella. Otto. Giſella. Sprecht mir nicht mehr davon, Otto! Seitdem 10 ihr hier ſeyd, kann ich mich [105] kaum mehr beſinnen, daß eine Zeit war, worinnen ihr lebtet, der vorige Mann. Laßts gut ſeyn, ich mag weiter nichts davon hören. Otto. Ich bin verdammt zur Marter in Ewigkeit. Da hatten ſie mich drüben; folterten mich mit Untreue, ich konnt's nicht mehr aushalten. Ich bin jetzt hier Jahrlang, werd zum Kind, zum weinenden, wimmernden Kind! Denn wen ſollt das nicht närriſch und raſend machen, wenn man ſo iſt von gutem Herz und treuem Sinn; die Leute das alles mißbrauchen, ſchändlich — Projekte und Plane machen, einen 20 zu hintergehn? haben ſie's, hinter einem zu lachen? oh lacht, lacht, ich will euch mehr zu lachen geben, Lacher der Marter! Giſella. Wer das? Wer wollte das, Verirrter? Otto. Verirrter, und Verirrter; Narr, und betrogener Narr! — Laßt mich ausreden! Einen zuſehn zu laſſen, wie: ſie's machen, einfädeln — das jagte mich fort. Komm hie⸗ her, find's auch ſo, juſt wie ſie mir ſagten. Teufel und Hölle! und doch will ich lieber hier betrogen ſeyn, hier von euch mich verzehren laſſen, von der Glut, die in mir brennt, die ihr angefacht, und immer zublaßt, bis alles [106] aufge⸗ lodert, alles — — oh das wüthet in mir! Und wenn ich denk, was ich alles that, mein Leben durch, für Freunde; nun abgezehrt, wie einer, der Jahre im Kerker geſeſſen ohne — * 1 * 2 0 AM SIE tur, 3. Licht und Troſt; für Mattigkeit keine große That mehr thun kann, nichts großes mehr denkt, ausgeht, wie ein Schwind⸗ ſüchtiger! — — Kerker! Kerker! brich auf! — — Giſella, hauch mich an mit allem deinem Gift, blaß mein Leben aus, auf Einen Streich! Findſt du Freude an meiner langen Marter? Giſella. Was that euch mein edler Bruder, der nicht falſch denkt und thut? was that er euch? ſprecht! von ihm abzufallen, meyneidig! | Otto. Euer Bruder! edler Bruder! Nun bey meiner Seele, hätt er mich entdeckt, eben da ich ihn hätte vergiften wollen; ärger hätt er mirs nicht machen können! Nein, bey Gott nein! ärger nicht. Denkt, Giſelle, euer Bruder war mein Augapfel; was er wollte, that ich, und wenn er wollte, achtete meines Lebens nicht, das ich oft für ihn wagte. 5 Dafür belohnte er mich mit Falſchheit, Untreue; ſetzt mich aufs Schloß, wie einen verachteten verbrauchten Burſchen, daß ers ausführe mit Ludwig — Hah! und das zu ſehen, das alles, 107] alles — — mit Ludwig! Giſella, ſchlägt dirs Herz bey dem Namen? Schleicht er ſich ein, ſüß? und tönt ſüß? Verflucht aus meinem Munde ein Bräutigams⸗ name! und doch kein lächelnder Dank dafür! Giſella, kein Dank dafür! g Giſella. Wir ſehen uns nicht wieder! der euch betrogen hat, hat der Welt einen edlen Mann geraubt. 25 Otto. Hat er? hat er? Giſella. Ihr laßt euch nicht weiſen! Wir ſehn uns nicht wieder. Otto. Nein, nimmer, Giſella! Aber Ludwig führ ich dir zu als Bräutigam! den holdſeligen Jüngling, den milden ſanften Ludwig. Und du ſpannſt die Arme nach ihm aus, drückſt ihn an die warme Bruſt — Amen! dann ein dankender, kalter dankender Seitenblick auf mich; auf Ludwig einen Triumphsblick, und da will ich ſtehen, und ihr ſagt, da ſteht der Pinſel! Pinſel! ſo lang, bis ihr mich umgebracht! da 35 heißts auch Amen. O Hochzeit! Hochzeit! Die Muſik mach ich, und trag die brennende Fackeln. * — S — © 10) S 3 D F III, 3.) 63 Giſella. Muß ich Raſereyen anhören? ich wollt, ihr giengt! [108] Otto. Giſella, habt Mitleiden mit mir! Es giebt Dinge, die einem den Verſtand verrücken; das thut mirs. Nur das einzigemal Mitleiden! Ich Mitleiden erbitten, erbetteln von einem Weibe! Mord und Rache! — — und doch ſtehts anders vor meiner Seele; da ſeh ich nichts, als dein Bild liebevoll, und da iſt alles weggewiſcht — — ich kann's, kann's nicht aushalten! Seht mich an, Giſella, wie ihr wollt! Ich weiß, daß euer Herz iſt Eiß für mich, für ihn brennende Wärme. Lebt wohl, nickt eurem Sklaven zu wie eine Königinn! Ich will mein Leben herumſchleppen, bis es aus⸗ geht. Oh! (ab) Mädgen. Ich möchte mich todt weinen. So ein edler Mann, wie er dahin gieng! Giſella. Und Verräther an Karl; verließ ihn in der Noth. Mädgen. Oh die Böswichter, die Schuld dran find! Und doch hat niemand mehr Schuld als ihr. Giſella. Schweig! Herzog. Nun, Giſella, bald wird er kommen. Ich denke, der Bote iſt aufm Rückweg. Und, liebt er ſeinen Vater noch, muß [109] er mit ihm kommen. Das wird er auch! Aber, wird er mich kennen? ſeinen alten Vater, dem er Gram gemacht hat, ſeine Haare weiß gefärbt, mehr als das Alter. O Karl, was iſt die Liebe des Vaters? Komm und fühl's! Giſella. Wie dankt euch mein Herz, gnädiger Vater! Mein lieber Bruder, was wird ihm dieſe Nachricht ſeyn? Und wer kommt noch mehr? Herzog. Wer mehr? er, er allein. Ich will mit ihm reden. Der Vater ſoll mit ihm reden, und da ſoll niemand dabey ſeyn, der den Vater verſcheuchte! Giſella. Güte für alle! Herzog. Er ſoll kommen! 30 64 III. 4. Reuter kommt mit einem Burſchen. Reuter. Gnädiger Herr, da iſt ein Burſche, hat den Franz todt gefunden, und ſeine zwey Begleiter. Herzog. Todt! 5 Burſche. Ja gnädiger Herr, im langen Wald liegt er mit drey Stichen, und ſeine Begleiter auch todt. Herzog. Schon wieder betrogen in Hoffnung! weiß man die Thäter? 110] Burſche. Die Leute dort herum ſagen, ſie haben Reuter 10 vom Biſchof herum ſtreichen geſehn. Herzog. Das kann nicht ſeyn! es müſſen Räuber ge⸗ weſen ſeyn. Burſche. Sie werden ihn herbringen mit ſeinen Begleitern. Herzog. Will der Himmel nicht, daß ich ihn wieder ſeh. 15 Ich ſollt's bald glauben. Ruft mir den Kanzler! Giſella, ich ſoll ihn nicht ſehen! Giſella. Nicht ſehen? Lieber wollt ich hin. Kanzler. Gnädiger Herr, was ich vernahm, iſt entſetzlich. Die Boten des Herzogs anzugreifen! 20 Herzog. Es ſoll nachgeforſcht werden allenthalben! Schreibt ihr an Karl, nemlichen Inhalts! Zwanzig der beſten Kerls ſollen hin, und das eilig, eilig! 111] Vierter Auftritt. Uacht. Zimmer mit Lichtern erhellt. 25 Adelbert. Konrad. Normann. Adelbert. Laßt uns ſchwören den Eid, Sachen zu halten geſchworen zu Gottes Ehre und Ruhm! — Prinz Konrad, nähert euch! legt eure Finger auf dies heilige Buch! denkt gegenwärtig den Herrn, wie ers iſt, der da ſieht, ob euer 30 Herz einſtimme mit dem Schwur, bey ihm gethan auf eure Seele und ewiges Heil? Schwört! Konrad. Ich ſchwöre. Fern iſt meine Seele von Böſem 1 3 um, 4 Hr. und Trug. Hier ſteh ich vor Gott und allen Heiligen; be= theure, daß meine Seele iſt rein von Trug. Adelbert. Prinz Konrad, ihr ſeyd willens, mit dem Eid zu beſchwören, daß ihr ausſchlieſſen wollt vom Thron, Karln euren erſten Bruder; der ihn beſitzen würde zum Nach— theil der Religion und Unterthanen. Weiter wollt ihr ſchwören mit euren Fingern, gelegt auf dies heilige Buch, daß ihr dem Biſchof Adelbert die mit Unrecht geraubten Länder wieder erſtatten wollt. Daß ihr dem Normann, Grafen 112] des Reichs, zur Ehe geben wollt Giſella eure Schweſter, dazu ſeine Grafſchaft. Das alles wollt ihr beſchwören, ſo wahr euch Gott hilft und ſein Wort! Konrad. Ich Prinz Konrad, der ich hier ſtehe vor Gott, ſeinem Angeſicht und Heiligen, betheure, beſchwöre, daß ich die Worte Adelberts halten will, wie Gottes Wort. Halte ich ſie nicht, weiche von mir Gott, laſſe meine Seele ſchmachten in der Stunde des Todes ſchröcklich! Laß ſie ſeyn bitter verzweifelnd, mein Leben auch! So wahr mir Gott helfen ſoll, halt ich ſeinen Schwur. Zur Betheurung leg ich meine Finger auf dies Buch, durch das wir ſelig werden. Mäch— tiger! meine Seele iſt gebunden durch den Schwur! Adelbert. Normann, ihr wollt ſchwören den Eid bey Gott geſchworen, Sachen zu halten zu ſeiner Ehre und Ruhm, daß ihr wollt feſtſetzen helfen, auf den Thron Friedrichs, ſeinen würdigen Prinzen Konrad. Schwört! Normann. Hier ſteh ich Graf Normann, ſchwöre vor Gott und allen Heiligen, betheure bey dieſem heiligen Buch, Heil und Seeligkeit gebend, daß ich halten will meinen Schwur, Konrad auf den Thron ſetzen zu helfen nach [113] Kraft und Vermögen. Ihn ſchützen in ſeinen Gerechtſamen bis an meinen Tod. Mächtiger, ich ſchwur bey dir! Fern müſſe von mir ſeyn deine Hülfe, hilf mir nicht mehr, Helfer, bin ich meyneidig! Adelbert. Hier ſteh ich, Biſchof Adelbert, vor Gott und Heiligen zu betheuern, daß ich halten will meinen Schwur und Eid, mit meinen Fingern gelegt auf dies heilige Buch, Litteraturdenkmale des 18. Jahrhunderts. 1. 5 25 = E EN aur 5. 6. durch das wir Seligkeit haben und hoffen. Daß ich ein- ſetzen will nach Kraft und Vermögen auf den Thron des Herzogs Friedrichs ſeinen zweyten Prinzen Konrad. Ihn zu ſchützen in ſeinen Gerechtſamen mein Lebelang. Ich ſchwur 5 bey dir, Mächtiger, und meine Seele iſt gebunden durch den Eid. Halt ich ihn nicht, laß mich nicht zur Ruhe kommen dieſes und jenes Lebens! Mächtiger, ich ſchwur! Fünfter Auftritt. Otto. 10 Otto. Das Leben iſt nichts mehr für mich, alle Ruhe iſt hin. Da geh ich herum, wie ein Schatten, gepeinigt und gemartert von böſen Geiſtern in meinem Herzen tauſendweiß. 114] Alle Augenblicke ruft mirs zu, Otto mordeſt Treue und Glauben, biſt ein Meyneidiger. Da möcht ich weinen und 15 ſterben für Jammer, wie mich foltert das Innre, Treu ge⸗ mordet zu haben. Heiliger Gott, was iſt aus mir worden? Karl, ſo feſt hieng meine Seele an dir, und da ſie an dir hieng, lebte ich frey, hatte noch nichts vom beißenden Nagen am Herzen, kein Schreyen; du haſt die Treue gemordet — 20 ah! nun Karl! — wie ſchrecklich mußt du mich betrogen haben — ſo auf Einen Riß aus meinem Herzen, auf Einen Riß, und keine Spur? — mußt mich betrogen haben; hab's, hab's, hab's, Verräther! Ludwig! höhnendes Weib! — Rache auf! — nimm mich ganz. 25 Normann. Otto, morgen früh um vier. Otto. Rache auf! auf! — auf Einen Riß! Sechſter Auftritt. Haus des hungen. Mitternacht. Heilige Inquiſition klopft. 30 Mädgen. (am Fenſter in Nachtkleidern) Wer iſt da? [115] Inquiſttor. Die heilige Inquiſition, macht auf! III, 6.) 67 Mädgen. Jeſus Marie! was ſoll das? Inquiſttor. Macht auf! (Mädgen macht auf) Schlafſtube des hungen. Er und ſein Weib im Bette, und Kinder auch in Betten. 5 Inquiſition tritt ans Bett, zieht die Vorhänge weg). Marie. (erwacht) Gott! heiliger Gott, was giebts? Inquiſttor. Schweigt. (Kinder erwachen, ſchreyen, da ſie die Leute ſehn) v. Hungen. (erwacht) Marie, was iſt dir? — — Gott, 10 was iſt das? Inquiſitor. Im Namen der heiligen Inquiſition, von Hungen, ſteht auf und folgt uns! Hungen. Ich! ſie ſind unrecht, meine Herren, ich hab nichts begangen. 15 Inquiſitor. Im Namen des heiligen Gerichts, ſteht auf und folgt uns unverzüglich! Hungen. Gott, heiliger Gott! 116] Inquiſttor. Eilt! Marie. Jeſus! erbarm! erbarm! (weint und ſchreyt, einer 20 der Sbirren ſchlägt ihr auf'n Kopf. Fällt in Ohnmacht. Blut) Hungen. Marie! Marie! Marie! oh ſie ſtirbt, mein beſtes Weib! Kinder. (laufen und ſchreyen) Liebe Mutter! liebe Mutter! ſeht uns an! 25 Hans. (zu ſeinem Vater ins Ohr) Vater, dürfen wir uns wehren gegen die Geiſtliche Herren? Hungen. Nein, wir wären alle des Tods. Wieburg. Was iſt's? Was iſt's? (fährt zurück, da er die Inquiſition ſieht) 30 Inquiſttor. Bringt ſie weg, wenn ſie nicht ſchweigen! Wieburg. Gott! Gott! (Sbirren legen Hungen in Ketten) Marie. (kommt zu ſich) Lieber, lieber Mann! — — 5 * Bi... mx 23 Jeſus, in Ketten! (fällt ihm um den Hals) oh bringt mich um, bringt mich um! 117] Inquiſttor. Reißt fie los! Marie. Ich laß mich nicht losreißen. Laßt mich um⸗ 5 bringen! Mein Mann! (Kinder hängen ſich an ihren Vater und weinen) Sbirren. Weg! (ſtößt fie und die Kinder gewaltſam weg) v. Hungen. Marie! liebe Kinder! (zeigt gen Himmel) dort droben, er erbarm ſich eurer und meiner! 10 (Marie fällt nieder) Kinder. Mutter! Mutter! oh lieber Herr Jeſus! Siebenter Auftritt. Rothenburg. Herzog. Reutersknecht. Unbekannter. 15 Reuntersknecht. Iſt einer draus, will mit euch reden, gnädiger Herr! Herzog. In der ſpäten Nacht! — Laß ihn kommen! Anbekannter. Herzog Friedrich, nehmt einen Rath an gut gemeynt! Flieht und verlaßt euer Land! Euer Sohn 20 Konrad ſteht mit [118] Adelbert im Bund; haben alles Volk an ſich gezogen. Sind willens, Morgen früh euch anzugreifen in eurem Schloß; euch zu zwingen, das Herzogthum nieder⸗ zulegen, und ins Kloſter zu gehn. Das haben ſie vor. Ich rede wahr; und, glaubt ihr nicht, ſo legt mich in Feſſeln; 25 meine Bande aber werdet ihr nicht auflöſen, denn ihr werdet ſie ſelbſt tragen. Errettet euer Leben und Reich; denket, daß Konrad ein Böswicht, Karl euer treuer Sohn iſt! rettet euch einer, ſo iſt ers. Eilt und flieht! Herzog. Wer biſt du mit der Todesnachricht? 30 Alnbelannter. Rettet euch! ihr habt wenige Stunden. Es iſt Mitternacht. Eilt um Gottes Willen! Herzog. Siebenzig Jahr! Siebenzig Jahr! III, 8. 9.) 69 Achter Auftritt. Herzog vor Giſellens Zimmer. Herzog. Giſelle! Giſelle! Noth! Noth! Noth! Mörder vorm Schloß! Morgen früh mit Tag's Anbruch! Giſelle! Giſella. (inwendig) Mein Vater! [119] Herzog. Flieh! Mörder! fie habens gethan. Flieh Tochter, dein Bruder iſt Mörder worden. Oh hör deines Vaters letzten Ruf! entflieh, biſt du nicht mit ihnen. Oh, oh, oh. Neunter Auftritt. Wald. Moraſt. Herzog. Veit. Veit. Laßt uns eilen, gnädiger Herr! es geht auf den Tag. Horcht! mich dünkt, die Glocke ruft zwey im Dorf. Bald Tag. Herzog. Tag! oh läſtere nicht! Tag! oh nimmer, nimmer! Komm nie wieder, Sonne, die That mit deinem reinen Licht zu beſcheinen! ſie würden rauchende Hände von Vaters Blut, naſſe beſudelte Hände an deiner erwärmenden Hitze trocknen. Heilig, reines Licht! thu's nicht, kehre nicht wieder! — — — Hah! und keine düſtre höllſchwarze Nacht! Mondhell! löſche deine Lichter aus, gütiger Himmel! löſche deine Lichter aus! Sterne, keinen Glanz! ſie beginnen Schwüre bey eurem Licht, einen alten Greis zu morden. Egyptens Finſterniß zieh ſich ewig über dieſen [120] Greuel, ewig, ewig, und laß mich ſterben, oder ſchlag mein altes Gehirn aus! gieb mir fühlloſe Dummheit; reiß mein Ge⸗ dächtniß aus, aus! Gott! Gott! reiß mirs vom Herzen! nimm mich zu dir! Veit. Habt Hofnung, Herr! er ſieht euer Leiden, wird Hülfe ſchicken. Herzog. Kinder, die keinen Vater wollen, ihn ausſtoſſen im grauen Alter! oh im wilden Thier iſt Heften und Binden an Alten. Kinder! Menſchen! — ich kann nicht. (fällt nieder) 1 * * 30 70 III. 9. Veit. Eilt, eilt! der Hahn kräht. Herzog. Matt, matt, tödte mich, Alter! Veit. Ich will euch leiten. Herzog. Laß mich! hier will ich ſterben unter freyem 5 Himmel. Sieh mich an, Gott, huldreich nimm mich alten Mann! kanns nicht ertragen. — Noch einmal will ich dich in Gedanken, im Herz zuſammen faſſen, ganz, ganz zu⸗ ſammenfaſſen. Zerknirſch, berſte, verſtoßnes Vaterherz! — Geh von mir! du ſollſt mich nicht wimmern ſehen! 10 Veit. Adelbert hat ſich mit ihm verbunden. Denkt, wenn ihr ihm in die Hände fielt. 121] Herzog. (ſpringt auf) Adelbert! oh Fürſt der Finſter⸗ niß und Adelbert, wie er mich betrog; es würkte nach und nach — ausgeſtoſſen! alles, alles beraubt! Adelbert, der ſich 15 vor mir beugen mußte, ich mich vor ihm jetzt? War ich nicht der ſtolze Herzog Friedrich, den Fürſten fürchteten? und jetzt klein, klein gemacht, wie ein elender Bettler! Konrad! daß der Himmel nicht donnert im Grimm, wenn ich ihn nenn; die Welt nicht einſtürzt! o hätt ich ſie zwiſchen meinen 20 Händen, wie wollt ich ſie zerreiben, zerreiben! — In Adel⸗ berts Gewalt! Gieb mir dein Schwerdt, ich will dich einen Streich lehren! gieb, ich kanns noch, ins Kreuz, Bogen, herunter und durch, ſo hab ich viele eingewiegt. Ich will dich's lehren, ehe ſie kommen. Nun zauderſt? bin ich nicht 25 mehr Herzog? keinen Gehorſam mehr? Veit. Laßt uns fort, bis wir in Sicherheit ſind! Herzog. Gieb dein Schwerdt! Mein Zorn iſt Löwen⸗ zorn. Gieb, oder ich erdroß'le dich. (Wills ihm nehmen. Veit glitſcht ab in Moraſt.) 30 Veit. Tret't zurück, zurück! — ich ſink. Herzog. Wo biſt du? wo biſt du? haben ſie dich ſchon? red, red, red! lebſt du? haben ſie dich? keine Antwort, mein armer Jun⸗ [122] ge? — — — — Hab, plätſcherſt du da unten? Veit! er iſt geſunken, er iſt todt, ich hohl dich. (arbeitet ihn 35 heraus, wirft ihn hin) Hab ich dich? nun, biſt du todt? ſo III. 9.) 71 ganz todt? hättſt du mir dein Schwerd gegeben; Sauls Geſchichte erzählt, ſie hätten dich groß gemacht. Nun biſt du hingefahren; dir iſt wohl, fühlſt nichts mehr, und wenn dir deine Kinder auf'm Herzen tanzten. In mir jede Quaal noch tief, tief, hölliſch! Adelbert fährt mir übers Herz mit feuriger Hand; Konrad trägt Feuer zu! — — — Der Wolf brüllt, und wilde Thiere Horch! horch! Geheul! ſüß geſungen gegen das, was mir Konrad um die Ohren ſaußt. Huh! huh! horch! horch! Vatermord! huh! euer Gebrüll iſt Nachtigallsgeſang gegen das kleine Wort, Vater⸗ mord! — — — Junge, regſt dich? iſt's aus? Ruh ſanft, ich will dich verſtecken, daß dich die Wölfe nicht freſſen! — — Oh in der grauſen Nacht! heult! heult! laßt euch meine abgezehrte Gebeine ſchmecken. (will ihn weg⸗ ſchleppen) Veit, lebſt du? Veit. Herr! Herzog. O red, red! kommſt du wieder? Veit? wie wird dirs? [123] Veit. Mir wird beſſer. Oh gnädiger Herr, wer half mir? Herzog. Ich, ich Junge! kannſt du gehen? Veit. Ich kann nicht auf. Herzog. Ich will dich welzen. — — Nun, kannſt nicht? wirf deine Rüſtung weg, ich will dich fortſchleppen. Mir grauts hier. Mach! Wer iſt der? dort, dort am dicken Baum im Dunkel dort? — Oh, ich bin dein Vater, erbarme dich meiner! nicht? — er hat ſchon blutige Hände, dünkt mich. Haſt du Giſellen ſchon geſchlachtet? wie er nach mir ſieht! — komm Burſche! will dich ſchleppen, wollen ihnen entlaufen und dem dort. Das thun Kinder! 15 25 30 72 124 Vierter Aufzug. Erſter Auftritt. Rothenburg. Konrad. Normann. Adelbert. Kanzler. Herzogs Leute. 5 Adelbert. Er iſt fort? Kanzler. Um Mitternacht plötzlich, wir wiſſen nicht, wohin? Oh mein alter Herr! Normann. Der arme alte Herr! Konrad. Warum iſt er weg? 10 Kanzler. Fragt euer Gewiſſen! Das Gerücht geht, ſein zweyter Prinz wär aufm Marſch mit ſeinen Feinden gegen ihn. Und darf man das ſtolze Unternehmen wiſſen von euch? geht Empörung hier vor? Konrad. Schweig mit deinen Fragen! der Thorheit 15 muß Einhalt geſchehen. Kanzler. Der Thorheit! Weſſen Thorheit, junger Herr? 125] Konrad. Noch einmal, ſchweigt! oder wir werden eure vorige Thaten gegen uns richten, daß ihr zittern ſollt! Kanzler. O mein edler alter Herzog; wohl dir, daß du 20 deinen Prinzen nicht reden hörſt; es würde dein altes Herz bluten machen. Normann (der die Zeit über mit Adelbert ins geheim geſprochen.) Deklamirt nicht lange! Kanzler. Hört auf zu ſündigen! Seyd ihr des Herzogs 25 Sohn, ihr? Konrad. Das ſollt ihr ſehen. Kanzler. Oh lügt nicht; ich müßte dem Normann glauben, er ſey ein Engel. Normann. Du Hund du! 320 Kinzler. Ihr des Herzogs Sohn; der ihr mit gewaffneter Hand kommt, mit Gewalt eindringt? Mörder, Rebellen ſeyd ihr; das wußte mein alter Herr — in der dunkeln Nacht! IV, 1.] 73 Adelbert. Gebt Antwort auf unſre Frage! Kanzler. Du heiliger Adelbert! Du frommer Konrad! Dein Leben war immer Beten, und das hatteſt du im Herzen? Konrad. Mann! 126] Kanzler. Ihr ſeht aus, wie ein Vatermörder. Werdet 5 ihr nicht blaß? ſtandhafter Prinz, oder Herzog, wenn ihr's lieber hört. Konrad. Kerl! noch ein Wort! — die Schlüſſel! Kanzler. Hier iſt mein Kopf! Vatermörder! Vater⸗ mörder! Uſurpateur! Hier iſt mein Kopf! Euch die 10 Schlüſſel? euch, Feinde des Herzogs! nein; ihm diene ich und keinem verrätheriſchen Prinzen. Karl! räch dich und deinen Vater! dein heiliger Bruder iſt ein Vatermörder. Konrad. Die Schlüſſel! Normann. Wo iſt Giſelle? 15 Kanzler. Fort, fort, zum Rächer Karl. Was fragſt du nach ihr, Rebell? Konrad. Die Schlüſſel! Kanzler. Hier iſt mein Kopf, heiliger Rebell! Normann. Da, Sklave, nimms! (verwundet ihn.) 20 Kanzler. Oh mein alter Herr! Normann. Werft ihn hinaus! Otto (kommt.) Otto. Was iſt der Auflauf und verwundete Mann? [127] Normann. Er hat des Herzogs Flucht befördert; Karl 25 alles verrathen. Giſella fortgeſchaft. Otto. Wohin? Normann. Zu Karl, zu Ludwig. Otto. Nun ſo zerreiß Geduld! zerreiß auf ewig, und Liebe, und du Wuth und Rache! — Laß mich über die 30 Verräther kommen; ein Bräutigamslied ſingen, wobey Menſchen Blut weinen ſollen! Fort, fort! — Hah Ludwig, wenn ich dich habe: dich! will ich dich martern nach und nach; 74 Uv. 1. dir deine Braut zuführen; du am Pfahl gepfählt, ich dir durch's Herz bohrend, bohrend, dich langſam ſterben ſehen, hüpfend deiner Verzweiflung zuſehn; lachen, wie ihr ladet. Dein Herz ſuchen für die Braut — — — O Rache! 5 Rache! dein Aufſchub iſt Marter! Normann. Nun denken ſie, ſie hätten's! Laßt uns nur nicht zaghaft werden! Otto. Zaghaft? und meine Seele dürſtet nach Blut und Mord unlöſchbar! Er hat ſie ja, hat ſie. Wie wird 10 das Weib ſpotten über mich; ich war ihr unterworfen zeit⸗ her demüthig, leckte faſt den Ort, wo ſie hintrat, bat [128] ums kleinſte, kleinſte Mitleiden, Narr! Narr! Da wiſcht ſie hin! Konrad. Ihr wißt unſer Verſprechen. 15 Otto. Mich deucht, ich ſeh fie; und das ſchneidt mir das Herz entzwey. Wie ſie ſich umarmen, über mich ſpotten — Jetzt gehn ſie zum Altar, der Pater ſpricht den Segen; daß du verdammt wärſt — ihr alle, alle und ich! ſie ſinds, ſie ſinds, ich raſe vergebens. 20 Normann. Graf, hört auf zu wüthen! Habt ihr ihn — Otto. Hab ich ihn! den Ludwig — Hab ich ihn — nieder, nieder — Oh dich unter meinen Füſſen, in meinen grimmigen Händen! Normann. Der Eine Sturm iſt noch abzuwarten, und 25 der ſoll kein Aeſtchen abreißen. Edler Herzog Konrad! Adelbert. Er lebe! Konrad. Laß alles geheim ſeyn! Normann. Wir müſſen dem Herzog nachſchicken. Ein verfluchter Streich, daß er entwiſcht iſt! Wie leicht könnte 30 er Aufruhr erregen unterm Volk. Adelbert. Schickt Leute fort, laßt alles durchſuchen! Er muß herbey. IV, 2.] 75 129 Zweyter Auftritt. ; Giſellens Zimmer. Normann. Täubchen, du biſt fort aus dem Keficht. Fort, haſt alles wüſte gelaſſen. Die Freude war vergebens; ſo in aller Früh, Giſella! Wie das ſchön geweſen wäre! wie wollten wir uns in die Augen geſehen haben, ſchönes Mädgen; du dich gewunden unter meinen Händen, geſträubt; und wie ſüß das erzwungene; ſchmeckt göttlich — hol der Teufel die Vorſtellung einer entgangenen Luſt! Das ſind Nägel, die man ſich tief ins Herz drückt. Weg! es kann noch kommen; und kommts, denn doppelte Wolluſt! Dein Genuß, Giſella! dich ſo früh zu koſten, wie wenn man die friſch bethaute Roſe am Stock riecht. Was das? was in der Natur gleicht dem? Dein Genuß, Giſella — — nicht weiter! Komm du Ehrgeiz! du alleiniger Gott meiner Seele, die du hoch geſpannt haſt! Ich wachſe wie die Eiche durch dich. — Der Pfaffenknecht! ich kann ihn nicht leiden, nicht vor den Augen ſehn. — Spann nur meinen Geiſt, treib ihn, ſetz mich auf den Gipfel; und immer höher! mir ſchwindelt nicht. Hier its groß, über alle hinaus! — — da will ich ſitzen; euch aus den [130] Augen verlieren, kleine Sterbliche, ihr könnt mir nicht nach; betet an! euer kurzes Denken faßt das nicht, was in mir liegt. Doch verflucht! ſchon wieder fallen mir die Rieſen aus der Fabel ein. Wie hieß der Rieſe, auf welchen Jupiter den Aetna ſchleuderte? Doch konnte er durch ſein Bewegen noch Verheerung und Verwüſtung anrichten, ſchon was für den Ehrgeizigen. Und ich fürchte keinen Jupiter, keinen Adler — ich wills ausführen. Zur Erde mit euch! Adelbert. Normann, bald ſind wir zu Ende. Ich denk, ſie ſind klein; ſollens noch mehr werden! Das hat ſich der Alte nicht verſehen. Normann. Hätten wir ihn nur! Ich ſchickte ihm Leute nach, die machen werden, daß er uns nicht mehr ins Ange— ſicht ſehen ſoll. or 1 76 Uv. 2. Adelbert. Habt ihr? er muß weg! Auſſerdem, Graf, iſt noch viel zu überlegen, nur müſſen wir abwarten, was Karl unternimmt. Normann. Und die hier ſaß — hier, hier — — wißt s ihr, wo ihr ſeyd, Biſchof? Adelbert. Wohl weiß ich's, und ihr fühlt's. 131] Normann. Nacht durch ſah ich ſie, und beym erſten Sonnenſtrahl da dacht ich die Roſe zu pflücken — — ich hätte Gott verleugnet, dich an meine brünſtige Bruſt zu 10 drücken, und du biſt weg! Weg, auch ihr, ihr Geſpenſter gegen ſie. Was iſt all euer Genuß, ihr leeren Geſtalten, wo kein Reiz beym erſten Blick unſer ganzes Weſen ſo an ſich zieht, daß wir nur das, nur das ſind. Und ihr Püpchen, ihr matte kraftloſe Schatten vom Weibe! Was iſt all, all 15 euer Vermögen? ein Gedanke euer Genuß, und da ſchläfts! Die hier ſaß — alles voll, ganz zum Verbrennen, und immer zu brennen — ohne Sättigung genießen, und doch immer genießen! Adelbert. Normann, ich möchts aus eurer Bruſt weg⸗ wiſchen! und doch will ich nicht. Hängt feſt am Gedanken, 20 laßts euch anſpornen! ſie wird euer. Normann. Sie muß es! und, wird ſie's nicht, denn will ich Pfaff werden, und allen Weibern Gift geben. Adelbert. Es kann nicht fehlen. Verſichert uns nur des Ottos! die Soldaten haben Herz; ſind alles doppelt, 25 hören ſie nur ſeine Stimme. [132] Normann. Er iſt unſer. Hält ihn nicht Rache und Brunſt hier? Sieht er nicht alles ſchief? Ich müßte die Kerls nicht kennen, die die beſten Kerls im Pfaffenverſtande ſind, ſo lang ſie nicht angebrannt ſind. Aber ſind ſie's, ſo 30 werden fie euch nicht auf die Seite ſchauen; immer auf Einen Punkt, ſteht ſchon ihr Verderben da. Sie find Leiden⸗ ſchaft, ſie ſehen dahin, treten nach dem, der ſie anders leiten will. Doch muß man ihnen das Ding immer ſchiefer vor die Augen ſtellen, ſich wundern, wie grad ſie ſehen! Laßt 35 mich nur! ich will ihn dreſſiren. Das ſind gewaltige Dinge, IV. 2.] 77 Liebe, Eiferſucht, und Gefühl von Verachtung, bey einem ſolchen Mann. Er reißt ſich nicht loß, und blieſen alle Heilige und Engel Sanftmuth in ſeine ſtürmiſche Seele. Adelbert. Was machen wir hernach mit ihm? Normann. Er mag zu ſeinen Vätern gehn! todt unter! 5 Adelbert. Nein, Lebens auf! Normann. So ſagt ein Biſchof. Meinetwegen! Der Ruf käme mir zu früh, ihm zu ſpät. [133] Adelbert. Warum zu jpät? Normann. Weil er zeither tauſendmal mehr gelitten hat, 10 als der Tod iſt. Er kann ſeine Rüſtung kaum mehr tragen, der Herkules; ſo abgezehrt iſt er. Sie hätt ihn an Spinn⸗ rocken gebracht, glaub ich, hätt ſie nur einen lächelnden Blick auf ihn geworfen. Adelbert. Ihr ſeyd in Gedanken. 15 Normann. Oh ich vergaß, daß ich von mir rede. Ihr glaubt nicht, Adelbert, was ein Weib vermag? Ich hätte mein Projekt aufgegeben, hätte ſie mich angelächelt. Wir wollen aus der Stube! — Hier ſaß ſie, hatte ihre Laute, ſang; ich ſtund unter der Thür, von ihr ungeſehn. Das 20 war überirdiſch, wie das Lied des Barden aus ihrem Zauber⸗ mund herausquoll, ihre Finger jeder Saite durchdringendes Gefühl und Leben gaben. Ich war nicht ich, Seel und Körper durchſtrömt! ich fiel ihr um den Hals, ſie ſtieß mich weg, ſchrie laut, daß ich entfliehen mußte. Sah ſie mich, ſo 25 zürnte ſie, und doch war ihr Zorn Lächeln der Wolluſtgöttin. Adelbert. Kommen doch die Italienerinnen nach, ſie können euch doch eine Zeitlang ſchadlos halten. 134] Normann. Nehmt Sonn und Finſterniß, grauſen Sturm, den heitern Maytag! ſagt einem Frierenden, er 30 ſoll ſich an einem faulen brennend ſcheinenden Eichſtamm wärmen, und nicht mehr frieren! Oh dieſe unvermögenden Geſchöpfe! leere, leere Blicke, und wenn die Wolluſt in ihnen liebäugelte. I. IV,8. Adelbert. Ich hätts mein Leben nicht gedacht, daß fie euch ſo hinnähme. Normann. Dafür nehm ich ſie wieder. Adelbert. Glaubt, Gianette hatte mehr an Konrad ge⸗ 5 than, als einer von uns. Oh jo einen Strick um einen Unerfahrnen geſchlungen; iſt er ein Heiliger, er reiſt ſich nicht los, ſind die Schlingen ſo gelegt. Das wollte wohl Konrad werden; er wars ganz, ſah lauter Wunder, und das war ihm wohl auch Wunder. 10 Normann. Ich kann ſie nicht mehr anſehen drum. Sie mag ihm bleiben! Adelbert. Hah! hier ein Brief. An Otto, bey meiner Seel! Ein ofner an Giſelle. Von Karl. Normann. Zeigt, zeigt! 15 Adelbert. Laßt mich! 135] Normann. Narrt mich nicht! Nun, wärs ſchön ge- weſen, hätt der Stürmer des Täubchens Neſt durchſucht. Um Verzeihung, Prinz Karl! wir müſſens wiſſen! (macht den Brief auf) wahrhaftig nicht für uns geſchrieben. Da, leſt 20 den erbaulichen Brief, er hat uns gezeichnet, wir wollen ihn tiefer zeichnen. Adelbert. Gut, daß wir ihn haben. Seine Feder iſt ſcharf geſchnitten, wir wollen ſie ſtumpf machen. Kommt zum Prinz! es wird zu thun genug geben. 25 Dritter Auftritt. Sonneburg. Karl. Giſella. Adelheide und andre. Karl. Wenn ein Menſch im Staub gedrückt ſäſſe, kraft⸗ los; von Elend und Jammer ermattet wäre an Herz und 30 Geiſt, käme ein Engel, ſtärkte ihn, daß er ſich erheben könnte und aufſtehen, ſtark und neu getröſtet, wärs ihm, wie mir, da ich meines Vaters Botſchaft erhielt. Und die drauf! Giſella. Das fol all noch kommen, lieber Karl! die | IV, 3.) 79 Stärkung, und die wird ſelig ſeyn. Nicht wahr, liebe Schweſter? [136] Adelheide. Oh die Wonne! fie muß kommen; wir haben ſchon lange gelitten. Was das Freude war, als Karl die Nachricht erhielt! Karl. Seyd ruhig! Seht, Gott wird mich führen und ſtärken. Der Tag iſt da, wo ich zeigen will, wie kindlich mein Herz gegen meinen Vater immer war. Mein Vater wird mich wieder erkennen, und dich, Adelheide! Wo er irrt? in der dunkeln grauſen Nacht, der alte Mann! ſchon von ſeinem Alter abgemattet, und dieſer Stoß! mein Herz möchte zerſpringen! Wenn nur meine Leute zurückkämen! Auf alle Wege ſchickte ich ſie. Liebe Schweſter, wie magſt du gelitten haben zeither! — Ihr ſollt mich nicht wiederſehen, bis alles gethan iſt. Adelheide. Du wirſts thun, Karl! Karl. Nur meinen Vater unverſehrt! mit ihnen will ich fertig werden. Giſelle, was macht Otto? iſt er mit ihnen? Giſella. Sie ziehen ihn, wie ſie wollen. Karl. Da haben fie mir meine rechte Hand abgehauen.: Einen ſolchen Mann! Fürs Teufels Verſuchung hätt ich ihn ſicher gehalten. Und ſo ſehr haben ſie ihn beſtrickt. Du mußteſt die Urſach ſeyn. 137] Giſella. Ich? Karl. Du, und Ludwig! Giſella. Mußt er darum ein Böswicht werden?. Karl. Möchte er das nur nicht ſeyn! Tag und Nacht wollt ich ihn entſchuldigen. Bey der erſten Nachricht ver⸗ fluchte ich alle Menſchen. Aber ſeine Hitze, die Eiferſucht — ich ſah ihn immer vor Augen. Wie ſie ſich das zu Nutz machten, daß ſogar alle meine Briefe nichts bey ihm ver⸗ mochten; Gabſt du ihm die Briefe? oder ließt du ſie ihm heimlich zuſtecken? Giſelka. Briefe, Bruder? ich ſah keine von dir. 15 a Uv, 3. Karl. Keine Briefe! und ich ſchrieb immer auch Adelheiden. Giſella. Die haben ſie aufgefangen. Karl. Böswichter! ſo haben ſie ihn beſtrickt. Könnt ich ihn nur retten! ein neuer Beweggrund. 5 Siſella. Einen einzigen bekam ich vor wenigen Tagen; den ließ ich in der Angſt liegen. [138] Gebhard mit dem jungen Hungen. Kärl. Otto, jo iſt's möglich, daß fie dich behalten haben? Und doch nicht, hätteſt du die Treue, die ich hab. 10 Gebhard. Otto! Fürſt, wo iſt er? Karl. Bey ihnen, gegen uns. Könnten wir ihn retten! Gebhard. Laßt mich zu ihm! hier iſt ein edler Burſch, kommt und will dienen. Karl. Willkommen! wer ſeyd ihr? 15 Sungen. Eines verbannten Mannes Sohn. Ich bin des von Hungen, den Adelbert verbannte; ich komms zu rächen, weil ich hör, ihr habt Krieg mit ihm. Karl. Des von Hungen? ich hab ſeine Geſchichte ge⸗ hört und mit ihm gelitten. Wo iſt er? 20 ungen. In Italien. Sein Bruder iſt geſtorben, und hinterließ ihm ſeine Güter. Ich ruhte nicht, bis er mich von ſich ließ, mit dem feſten Vorſatz, nicht eher heimzugehen, bis ich Adelberts Kopf abgeſchnitten. Wollt ihr mich in eure Dienſte, ſo ſollt ihr einen Diener finden; weiter bin ich noch 25 nichts, [139] denn noch nie führte meine Rechte das männ⸗ liche Schwerdt. Karl. Sey willkommen, Hungen! euer Geſicht verdoll⸗ metſchet einen edlen Mann, das Feuer eurer Augen einen Ritter, der dem Feind vor die Stirne tritt. Ihr ſeyd unſer! 30 Unſer fürſtliches Wort euer! Ich ſeh euren Vater in euch. Hungen. Das iſt mein Stolz, Fürſt! Und ſo verbannt wie mein Vater iſt, das adelt mehr, als es ſchändet. Das ſah ich an meinem Vater, als er zu uns kam. Und das will ich Adelbert ſo laut ſagen, daß er niederſtürzen ſoll. IV, 4.] 81 Karl. Gebt mir eure Hand! Hier ſtehen Männer, die euch lieben werden. Noch heute wollen wir aufbrechen. Gebhard. Den Otto, Fürſt! ſchickt mich zu ihm! ich will alles thun. Er wird mich ſehen! und er wird unſer. Karl. Was meinſt du, Schweſter, von ihm? Giſella. Ich glaub's nicht. Sie haben ihn ſo feſt an ſich gezogen, daß er unmöglich losreißen kann. [140] Geösßard. Er ſoll, gnädige Fürſtin! Laßt mich zu ihm! Karl. Was der Junge an dem Mann hängt! Gebhard, er könnte dich an ſich ziehen und du würdeſt ein Verräther mit ihm. Gebhard. Fürſt, das that wehe! (wiſcht ſich die Augen) denk ich ſo was, träum ich's nur, ſo laßt mir den Kopf abſchlagen! Ich will da bleiben, ſo gern ich's nicht wollte. Karl. So meynt ichs nicht. Sey gutes Muths! deine Treue iſt mir bekannt. Du haſt dich bey mir gehalten als keiner. Und eben deßwegen möcht ich dich nicht weglaſſen, weil dir leicht was widriges wiederfahren könnte. Gebhard. Nichts, nichts! ich will's darnach anfangen. Karl. Komm! 20 Gebhard. Wenn ich wieder zu ihm komm, ihn bring. Wird mirs doch ſeyn, wie dem Frierenden in warmer Sonne. or — 0 — E 141] Vierter Auftritt. Gefängniß. Hungen. 25 Um mich iſt Tod und Fäulniß. Wie komm ich hieher? — In Ketten! — — hör mein Winſeln, mein Jammern! — — — was iſt das? modernder Geſtank — ein Menſchen⸗ geripp. Gott! Gott! Gott! wie ſtrafſt du mich! was haſt du mit mir vor? — Tod, dicke Nacht und Verzweiflung 30 in meinem geängſteten Herzen. Marie! Marie! liebes Weib! oh es ſchlägt wider die harte Mauer, und prallt zurück. Litteraturdenkmale des 18. Jahrhunderts. 1. 6 82 Uv. 5. Marie! Marie! lebſt du? meine Kinder, meine arme kleine Kinder! — Gott, ſtärke mich in dieſem tiefen verzweiflenden Leiden! bewahre mich vor Läſterung! Marie! in Geſellſchaft der Würmer ſoll ich hier liegen; ſo ſterben, einen Unglücklichen ſchrecken, wie der mich, daß mir die Haare empor ſtehen. Oh ich muß, ich will enden — ein Stoß wider die Mauer, und es iſt aus — — mein Leiden, Leiden — meine Sprößlinge! meine arme kleine verlaßne Püppchen, weint nicht! Marie, weine nicht. Heiliger Gott! gegen dich ſoll ich geredt haben! wegen Lüfte [142] rung das leiden, und weiß nichts. Alles Beleuchtender du weißts, und kein Retten, kein Retten! — Marie! Marie! Marie! * 1 o Fünfter Auftritt. Gorg (an einem Felſen). 15 Horch! horch! rauſchts — — — arme Gemordete, ich kann euch nicht wieder lebendig machen. Oh ſaußt um mich, blutige Schatten! der arme verdammte Gorg! — — ſieh nicht ſo auf mich, himmliſcher Engel, wend dich weg! Laurens Schatten, ſieh mich nicht ſo weich an, bet nicht für mich! Siehſt Emirs Blut — rauſcht's, rauſchts um mich — der böſe Feind! huh, nimm mich mit dir. Oh deine Silber⸗ locken! ſtreich ſie weg, und dich, ſieh mich nicht ſo huldreich an! Der Mordfelſen, wo böſe Geiſter wohnen, widerpeitſchen die Höllengeſtalten mit ihren garſtigen Flügeln. Und in mir! drück mir's Herz nicht ſo, Emir! (reißt Gras aus, zer⸗ knirſcht's) Blut! Blut! — Emir ſieh nicht jo wild, jo blut⸗ lockigt, lieber Emir! — Hab ichs denn gethan? — — — am Felſen hängt Emirs Blut — — Laura, ſieh den ver⸗ dammten Gorg nicht an — — — fielt ihr alle, ihr alle! Alter [143] mit deinem grauen Bart — — Emir! (nimmt einen Stein, reibt am Felſen) Los mit dir, los, kanns keine Ewigkeit auslöſchen; meine Thränen, die drauf fließen, auch nicht. (reibt fort) oh! oh! oh! und's Engelmädgen auch. (nimmt ein Buch und betet) Sey gnädig dem armen verdammten 35 Gorg! laß mich peitſchen und peitſchen hier; hör den armen 2 (=) 2 or 3 — IV, 5.] 83 Gorg beten! (wirft's Buch weg) hab ja doch gemordet, lieber Herr! ſie liegen ja alle todt — und du verdammſt meine Seele — — — dort geht ſie, nickſt mir zu, und weinſt. Blaß, lieber Schatten, ich will kommen, warte, warte! er kam ja in Wuth geritten auf mich — da iſt er — Emir! Emir! ſey dem armen Gorg gnädig! ſieh nicht ſo wild, du ſollſt Lauren haben. Du willſt mich mit Gewalt umbringen — — (fest ſich hin in tiefer Schwermuth, küßt das Kreuz, das er am Hals hängen hat.) Herzog. Veit. (kommen). Herzog. Nur einen einzigen Becher Waſſer! Du ſollſt meiner bald loß ſeyn. Meine Kräfte ſinken, und ich nach der Erde. Gieb mir nur einen halben Becher Waſſer! Veit. Gleich, lieber Herr! habt Hofnung und ruht hier! 144] Herzog. Hofnung, daß es aus iſt. Groſſer Gott, wie haſt du mich in Staub gelegt! Ich lieg, und niemand kann mich aufrichten. — Veit wer iſt der? Veit. Ich ſeh ihn an. Ein abgezehrter Schatten, dem die Haut um die Knochen hängt, Hunger und Verzweiflung aus den Augen ſieht. O wie's in ihm arbeitet — ſeht! ſeht! armer Wurm! Herzog. Wer biſt du in tiefer verzweiflender Schwermuth, mehr Todtengeripp als Menſch? Gorg. Kann ich dich lebendig machen, todter Greis, daß du mich jeden Schritt verfolgſt mit deinem weißen Bart und heiligen Geſicht? Bleib bey Gott, quäl den armen ver- dammten Gorg nicht! Könnte ich dich wieder machen, wie er dich machte auf einen Hauch, wollte zwey Ewigkeiten Ver⸗ dammniß leiden. Die Teufel foltern den Mörder. Emirs Blut am Felſen! Laura hin — du! du! alle durch dieſe verfluchten Hände! — — los, los mit dir! (reibt am Felſen) Herzog. Der iſt verwandt mit mir. Sag, Unglücklicher, haft du Kinder gehabt, die dir [145] Kraft und Leben nahmen, dich in dieſen peinlichen Zuſtand verſetzten? Red, haben dich deine Kinder ſo gemacht? 6 * — 5 35 EB. Uv. 5. Gorg. Armer Schatten, geh in Himmel zurück! liegſt ja im Grabe dort; ſieh dort; zwiſchen den Bäumen. Siehſt du den Hügel? da liegſt du und ſie. Es war an einem ſchönen Sommertag, da kam er geritten in Wuth. — Gorg! 5 Gorg! du blutiger Emir! Herzog. Dein Sohn? Gorg. Du holdſeliger Greis, vor deſſen Ehrwürdigkeit ſich Knie beugen ſollten, fielſt auch. — Geh, geh, ſag zu Gott, der arme Gorg leide. Emir hin, Laura, ich kann's 10 nicht; nehmt mir mein Herz aus dem Leibe, das Lauren iſt; werft mich in ſiedendes Oel und laßt mich leben dabey, ich hab den mächtigen Hauch nicht, mit dem er euch anblies; die ſchöpferiſche Kraft nicht, die einen Engel wie ſie, machen konnte. Rauſchts, prah! prah! hurla! hurla! nimm mich 15 mit dir, ſchmettre mich wider den Felſen! wäſch Emirs Blut weg! prah! hörſt ſie rauſchen? geh in Himmel. Herzog. Heiliger Gott! was wird aus deinen Geſchöpfen? ein Beſeßner, ich ein von Kindern verjagter alter Mann! heiliger Gott! 20 [146] Gorg. Siehſt Emirs Blut, überall, überall, ruft Rache, Rache und Weh übern verdammten Gorg. Heiliges Kreuz! (vorige Stellung) Herzog. Wir wollen zuſammen gehn, armer Gorg! ich bin ſo matt und dein Elend macht meins ſo neu, daß ichs 25 ganz ſeh. Er iſts, er iſts; fo weit iſt's gekommen, und du“ kannſt zuſehen! (ſieht gen Himmel) Veit. Seyd ruhig; ich trau euch nicht allein zu laſſen. Herzog. Hol mir Waſſer, Veit, und laß mich bey ihm; wir ſchicken uns zuſammen, ein Raſender und Wahnwitziger. 30 Gorg! Gorg! wo iſt dein Konrad? Hat er dir alles genommen, dich fortgejagt, ſo lumpicht und verhungert? Gorg. Heiliges Kreuz, dich trug ſie; die Mutter Gottes ſchenkte es ihr. Sie band dich los von ihrem Nacken, drückts in meine Hände, ſie waren noch nicht blutig, ich muß dich 35 anbinden, daß dich meine Thränen nicht wegwiſchen. IV, 5.] a: Herzog. Armer Gorg, wie iſt dirs? [147] Gorg. Biſt du noch da? Wenn ich dich umgebracht habe, heiliger Greis, und du ſiehſt, daß ich dich nicht lebendig machen kann: — geh denn von mir! Habt ihr denn im Himmel ſo Freude daran, den verdammten Gorg zu quälen? Ich kenn dich wohl; jo ſahſt du aus, und ich blies dich weg. Emirs Blut! dein langer Bart da! — Laura — er wollte es ſo, ob ſich ſchon der arme Gorg ſträubte. — Tobt in mir, über mir und unter mir, da kommen ſie in einem Zug. Hura! hura! — (ziehts Buch heraus) Mutter Gottes und Heiligen! Mutter Gottes, reine Himmelskönigin, ſey gnädig! nimm dich an des Armen, der leidet in Höllenpein! Herzog. Armer Gorg! wir habens miteinander, und wirds noch lange, bin ich ganz wie du. Oh mir frißts am Herzen! Veit mit einer alten Frau. Veit. Hier, Herr! Herzog. (trinkt) Noch einmal erquickt! Frau. Gorg, Gorg, geh heim! Herzog. Wem iſt der Burſche, Weib? Frau. Lieber Gott, er iſt mein Sohn. Sein Verſtand it hin durch ein großes Unglück. [148] Ich bete Tag und Nacht auf meinen Knien für ſeine Seele. Gorg, geh heim! Gorg. O ſieh nur, ſieh nur, wie er auf mich blickt!? ich möchte ihn gern lebendig machen, kann aber doch nicht. (vorige Stellung) Herzog. Weib, ſage mir, haben ihn ſeine Kinder ſo gemacht? Frau. Ach nein, mein armer Sohn. Alle Menſchen beten für ihn, und doch bleibt er ſo. Ich hab mir meine Augen ſchon ausgeweint, daß mir's Sehen vergangen iſt. Lieber Gott! geh heim Gorg! Wie ihr ihn da ſeht, wars ein munterer ſchöner Burſche. Mein Mann ſchickte ihn nach Bologna, da ſtudirte er. Er kam zurück, und war unſre 35 * 1 * 1 D iv S 35 56 Uv, 5. Freude. Wir hatten noch einen Sohn, Emir, der war wild und bös, konnte den armen Gorg nicht leiden. Zum Un⸗ glück mußte Gorg unſers Nachbar's Tochter lieben, die Marie, die er immer Laura nennt. Sein Bruder wollte ſie auch, ſie war aber nur meinem Gorg gut. Da traf er vor drey Jahren den Gorg hier an, wollte ihn umbringen: da mußte ſich Gorg wehren, und er ſtach ihn wider ſeinen Willen, daß er bald darauf ſtarb. Da fieng er an, traurig zu werden, weinte Tag und [149] Nacht. Marie ward ſchwermüthig drüber, ſtarb auch, und er riß uns juſt aus, als ſie im Sarg lag, ſah ſie todt; ſeitdem ward's immer böſer mit ihm. Mein Mann, den der Kummer kraftlos ge⸗ macht hat, ſtarb vor kurzem vor Alter und Mattigkeit. Und da glaubt er nun, er habe ſie alle drey umgebracht. Lebt nun ſeither ſo, wirds aber nicht lang mehr machen. Des Tags ſitzt er hier am Felſen, redt immer ſo, ſitzt auch oft viele Stunden, ohne ein Wort zu reden. Wenn er eſſen ſoll, oder's Nacht wird, muß ich ihn holen. Ich darf ihn aber nicht einſchließen. Armer Gorg! Wenn er zu Hauſe iſt, ſpielt er auf der Laute, die ihm Marie geſchenkt, da er noch geſund war, und ſingt. Willt du heimgehen, lieber Gorg? Komm, wir wollen beten. Gorg. (hats Kreuz zwiſchen den Fingern und lacht) Ja himm⸗ liſches Mädgen, ſag mirs, (aber ſag mirs ganz geheim) ſag 5 mirs, wie du lebſt im herrlichen Glanz? jo, du Engel! recht — hat ſie dich recht lieb die heilige Mutter Gottes? o hab mich auch lieb! mach mich ſelig, daß ich zu ihr komm, du Himmelskönigin! 150] Herzog. Unglückliches Weib, und wär er mein Sohn, wär ich ein glücklicher Vater. Veit. Könnt ihr uns nichts zu eſſen geben, und Nacht⸗ lager? Wir ſind den ganzen Tag in der Hitze gegangen. Frau. Stroh zum Lager, gute Milch und Brod. Gorg komm! der liebe Gott wird dir doch noch helfen. (führt ihn weg) Herzog. Ein ſolcher Anblick! und doch nichts, ſteh ich neben ihm. 2 4 Sechſter Auftritt. Sonneburg. Ludwig. Giſella. Ludwig. Laßt mich euch anſehen! — euch! fo, der Augenblick würde mich ſelig machen. Giſella. Ludwig, was liegt euch auf'm Herzen? Ihr wißt meine Theilnehmung. Macht mich nicht unruhig! Kummer drückt euch. Ich kam — und Freude lächelte mir entgegen. Jetzt ſcheint alles weg. Was trübt euch ſo? Kudwig. Ich muß in Thränen ausbrechen vor euch. Wenn ich ſag, ich lieb euch, ſag [151] ich zu wenig. Ganz, ganz euer bin ich. Oh ſieh mich nicht ſo an, Holde! ja du würdeſt mir den Himmel bereiten, wär's nicht. Sag du wollteſt, oh es hat mich geängſtet. Giſella. Sagt, ſprecht, ängſtet mich nicht! Wollt ihr mich ſo verlaſſen? Ludwig. Hör Giſella, durch mich, durch mich iſt der arme Otto zu Grunde gerichtet. Mein Gewiſſen brennt mich über dieſer That; ich kann ſo nicht leben, mit dieſen Vorwürfen. Giſella. Ludwig! Ludwig. Seht Liebe, der Otto hieng an Karl, wie ein Säugling an ſeiner Mutter, und ich riß ihn weg. Der Normann kam hieher, brachte einen Brief von euch an mich — Giſella. Ich gab ihm nie einen. Ludwig. Das dacht ich. Er gab mir ihn in Ottos Gegenwart und goß Gift in ſein Herz; und alles ſagte er, was ich vergeſſen wollte, ſchon überwunden hatte. Unſern Abſchied, mit dem ich enden wollte, den mißbrauchte er — Giſella. Schröcklicher Böswicht! Und du wollteſt mich vergeſſen? 152] Ludwig. Ich wollte, ich mußte. Ein Opfer wollte ich für den Mann werden, er verdient euch, nur er. Giſella. Du wirfſt mich weg, Ludwig? IV, 6.) 87 . — * 20 30 ER.A. Uv, 6. Tudwig. Sag das nicht! Er riß ihn von uns, und er leidet alles unſchuldig. Gott, ich kann nicht ruhen, mach ich's nicht wieder gut. Giſella. Es iſt edel von euch. Hättet ihr aber geſehen, 5 wie er mit ihnen iſt, mich behandelte! Lieber Gott, ich mußte ihn für das halten, was er mir ſchien. Ludwig. Er iſt's nicht, er mußte es werden. Laßt ihm Gerechtigkeit wiederfahren! Sagt, er ſey's nicht! Giſella. Ich thu's. 10 Cudwig. Sey geſegnet dafür! ich will euch ehren. Wir ziehn nun aus. Giſella, ich will ſuchen, den Mann zu retten, und hab ich's, denn frey athmen. Giſella. Thut's! Ludwig. Denn müſſen wir uns trennen! 15 Siſella. Sagſt du's? Ludwig. Giſella! 153] Giſella. Du wirfſt mich weg, Ludwig! du wirfſt mich weg! Ludwig. So werf mich Gott weg! Nein, laß mich 20 nicht mehr leiden! Laß mich dich ehren, heilige Tugend! Einen ſolchen Mann zu retten, der Himmel freute ſich. Ver⸗ achte ihn nicht! Giſella. Ludwig, biſt du's? Tudwig. Verachte ihn nicht! 25 SGiſella. Ludwig, du könnteſt mich überreden — ich weiß nicht, kann nicht; zieh hin! Gäb's Gott! du haſt's, mich zu lenken. Du haſt alles und wirfſt mich weg. Ludwig. Ich werf dich weg? Kannſt du ſo was ſagen? Giſella. Zieh hin! 30 Ludwig. Gott ſegne dich. Laß mich dich küſſen! Giſella. Steh dir Gott bey, Guter! 89 Siebender Auftritt. Marie. Kinder. Wieburg (kommt). Wieburg. Sie wollen nicht, die Tyrannen, ſie wollen nicht. Ich bat ſie auf den Knien, mich alles für ihn leiden zu laſſen. 5 154] Marie. Das wollt ich nicht. Was werden ſie mit ihm machen? Eins von den Kindern. Kommt denn unſer Papa nicht wieder? N Kleines Mädgen. Kannſt ihn denn nit wieder herbey 10 ſchaffen, lieber Mann! Haben dich doch ſo lieb — bring ihn doch — daß Mutter aufhört zu weinen! weint doch nit immer ſo, Mutter! Marie. Arme Kinder! Kl. Mädgen. Kommt vielleicht ein Engel und bringt 1s ihn. Habt uns ja oft erzehlt, liebe Mutter, wie Gott Engel ſchickt zu Menſchen, wenn ſie in Betrübniß ſind wie ihr. Konrad. Kommt er denn gar nicht wieder? Hans. Darf ich denn nicht hin? ihn mit Gewalt holen? Marie. Sie würden mich und euch umbringen. Dörft 20 gar nicht dawider reden. Hans. Das iſt mir ſchön! Kann ich mich auch nit für ihn einſperren laſſen? Hätt ich's doch damals gethan, da ſie ihn wegſchleppten! fiel mir aber nit gleich ein, da die Mutter wie todt war. 25 155] Wieburg. Weib, redt, weint laut, gebt eurem Schmerz Luft! er bringt euch um. Muß ich das erleben! und ſie wollen mich nicht! Marie, ſtärkt euch! Seht dieſe Kinder um euch liegen! Marie. Gott ſah dieſe Kleinen und mich! 30 90 [IV, 8. Achter Auftritt. Inquiſitionsgericht (an einer langen Tafel). Inquiſttor. Euer Schluß geht insgeſamt dahin, es iſt wider Gott und die Kirche. Und noch häufet ſeine Hals⸗ ſtarrigkeit und Läugnen ſein Verbrechen. 2. Inquiſttor. Wir müſſen jo handeln. (Sbirren bringen den v. Hungen) Inquiſitor. Noch einmal, von Hungen, laden wir euch vor, der ihr verſtockt ſeyd in euren Sünden, Gott noch mehr beleidigt. Ihr ſchwuret den euch von dem heiligen Gericht vorgelegten Eid, die Wahrheit zu ſagen — brach't ihn und geſtundet ſie nicht. Noch einmal thun wir die nemliche Frage an euch: laßt ihr ſie unbeantwortet, geſteht nicht alles, müſſen wir die Gewalt brauchen, von Gott und der Kirche 15 gegeben. [156] v. Hungen. Hier ſteh ich vor Gott; will alles mit aufrichtigem Herzen bekennen, was ich weiß. Daß ich was wider Gott oder die Kirche geredet, kann ich nicht ſagen. Und gewiß, ich hätt ſo lang nicht gezögert, bis mich Angſt 20 und Kummer den Todten gleich gemacht. Liebe Herren, ich bin mir keines Vergehens bewußt, welches das verdiente. Inquiſttor. Noch einmal. Wir legten euch zwey Fragen vor. Und die Kirche, die auch mit den Verirrten Gnade und Mitleiden hat, erlaubet uns, ſie euch noch einmal vor⸗ 5 zulegen. Die erſte war, ſeyd ihr euch Leute bewußt, die euch feind ſind, und euch haſſen? v. Hungen. Ich haſſe keinen Menſchen, bin niemand feind, denk auch nicht, daß ich ſo arge Feinde hab. Inquiſttor. Ihr habt ferner bey dem erſten Verhör eidlich gelobet, die Wahrheit zu ſagen, zum Zeichen, daß ihr kein verſtockter Sünder wäret. Thuts demnach jetzt, und denkt, vor wem ihr ſteht; ja wißt, daß Mittel da ſind, die Wahr⸗ heit aus dem innerſten des Herzens heraus zu bringen! 157] Hungen. Liebe Herren, ich bin in eurer Gewalt, weiß 35 es und fühls, werd nichts verſchweigen. Ich weiß nichts. * 1 o 1 3 S IV, 8.] 31 Inquiſitor. Hungen, noch wenige Augenblicke. Hungen. Wär der Eine Augenblick mein Tod, bey Gott, ich weiß nichts. Inquiſitor (zum Advokaten.) Getraut ihr euch ſeine Sache zu vertheidigen? 5 Adv. Nein. Sein Vergehen iſt zu groß. Die Kirche erlaubt mir nicht, ſo weit zu gehen. Inquiſitor. Von Hungen! Hungen. Gott ſteh mir bey! Inquiſitor (klingelt. Sbirren kommen.) Bringt ihn zur 10 Tortur! (Sbirren führen ihn weg in ein Nebenzimmer. Gehn einige Inquiſitores mit.) Inquiſttor. Solche Hartnäckigkeit! Advokat. Ich hätt jeine Vertheidigung übernommen — 55 aber ſolch offenbares Vergehn und Ketzerey. Hungen (von inuen.) Jeſus Marie! Jeſus Marie! — — — — Ah ich weiß [158] nichts. — — — Erbarmen! Erbarmen! (Ausdruck des äußerſten Schmerzes) Inquiſitor. Es iſt Gottes Sache. 20 2. Inquiſitor. Laßt die Gnade über die Natur ſiegen! Hungen. Jeſus! ach erbarme dich doch! (Sbirren bringen ihn ohnmächtig, und erfriſchen ihn.) Inquiſitor. Nichts geſtanden? 3. Inguifiter. Immer nichts. 25 Inquiſttor. Eure Verſtockung hats gemacht. Wollt ihr nun die Wahrheit ſagen? Hungen. Bey Gottes Gnade fleh ich euch! — ſagt mirs! Inquiſttor. Nun hört euer Verbrechen! Erinnert euch, ihr giengt eines Tags mit Wieburg aufm Feld. Zwey Diener 30 der Kirche giengen an euch vorbey, bey deren Erblickung ihr folgende ketzeriſche Worte ausſtießet. „Welche Thoren ſind es doch, daß ſie glauben, den Himmel zu verdienen dadurch, 92 IV, 9. daß ſie härene Kleider tragen, barfuß gehen, faſten und ſich geißeln! Gewiß, ſie ſind Thoren, wenn ſie meynen, daß es etwas verdienſtliches ſey, ſich ſelbſten zu peinigen, ſie könnten eben jo 159] gemächlich, als wir, leben, und würden eben 5 jo bald in den Himmel kommen.“ Bekennt ihr euch ſchuldig dieſer Läſterung? Hungen. Ach! ich hab's geſagt, ich unterwerfe mich aller Strafe, die das heil. Gericht mir auferlegen wird. Inquiſttor. Geſteht ihr, daß ihr mit dieſen Worten gegen 10 die Kirche Ketzerey und Läſterung ausgeſprochen? Hungen. Ich bin bereit, alles zu leiden. Inquiſttor. Iſts Ketzerey? War eure Abſicht, die Kirche und ihre Diener zu läſtern? Hungen. Ich will mich ja allem unterwerfen. 15 Ingquiſitor. Noch hartnäckig! Sbirren! . Hungen. (inwendig) Jeſus erbarm! (ſeufzt und ächzt.) — Oh — — ſende Hülfe! — — Jeſus Marie! — (dauert immer fort, nach und nach nimmt ſein Schreyen ab.) Nebenzimmer eröfnet ſich, von Hungen auf der Folterbank in 20 Todesangſt und Verzuckungen, ſcheint den Geiſt aufzugeben. Sbirren ſuchen ihn zu ſich zu bringen mit Erfriſchungen. 1 Sbirre. Er iſt todt. 160] Hungen. Meine Kinder! mein Weib. Oh Gott! (Inquiſitor um ihn.) 25 Inquiſitor. Iſt er todt? Sbirre. Scheint. Inquiſitor. Bringt ihn in feinen Kerker! iſt er todt, will ich einen Befehl ausfertigen, daß ſeine Güter eingezogen werden. Hungen. Meine Kinder! mein Weib! (ſtirbt) 30 Neunter Auftritt. Marie (auf einem Stuhl. Ihre Kinder um ſie.) Marie. (fährt plötzlich auf) Jeſus, mein Mann! ſchnee⸗ weiß! (fällt nieder) (Kinder ſchreyen) Mutter! Oh, ſie iſt todt! V, 1.] 93 161 Fünfter Aufzug. Erſter Auftritt. Rothenburg. Konrad. Beichtvater. Konrad. Rathet ihr das, ehrwürdiger Vater? 5 Beichtvater. Nicht anders; beſorgt des Lands Wohl und eures! Konrad. Die Reuter kommen. Beichtvater. Bedenkts wohl, mein Fürſt! (ab.) Normann. Adelbert. Hauptmann. 10 Konrad. Traft ihr ihn an, Hauptmann? Hauptmann. Ja. Konrad. Wo? Hauptmann. Im Wald, in einem elenden Haus, den werthen Herrn mit Veit. Da lagen ſie, ein närriſcher Burſch 15 und ein beklemmtes Weib ihre Geſellſchaft. Der Burſche redete manchmal toll, daß es einem wehe im [162] Herzen that; das alte Weib weinte, und der Schmerz des alten Herzogs ſchien mit ihnen zu wetteifern. Manchmal fuhr er auf in Wuth, es dauerte aber nicht lange, denn er iſt ſo 20 matt, daß wir ihn auf den Gaul heben mußten, zwey neben ihm herreiten, daß er nicht ſtürzte. Es iſt ein Anblick, Fürſt, daß es einem durchs Herz geht. Den ganzen Weg weinte er, ſah gen Himmel, fragte uns, ob wir ihn denn zu Konrad führen wollten? 25 Konrad. Sagtet ihr: ihr wolltet? Hauptmann. Das that ich nicht, verbots auch allen. Drauf bat er uns, wir möchten ihn doch wieder zu Gorg bringen, er würde bald ſterben; wenn wir nicht wollten, ihn todtſchlagen; es euch ſagen, ihr würdet uns alle zu 30 Grafen machen. Wahrhaftig Fürſt, es macht einen weich, auch den Wildeſten. 94 NN, Konrad. Es ſoll ihm nichts Arges widerfahren, es iſt alles Einbildung von ihm. Hauptmann. Um keine Krone möcht ich ihm ein böſes Geſicht zeigen. 5 Normann. Ich auch nicht. Adelbert. Es ſoll ihm wohl ſeyn bey uns. Konrad. Wo ließt ihr ihn? 163] Hauptmann. Eine Stunde von hier auf einer Mühle. Ich ließ ihn nach eurem Befehl da. Wenns dunkel wird, 10 werden ſie ihn bringen. Konrad. Gieng er gutwillig mit? Hauptmann. Nein. Durch gute Worte und Gewalt zwangen wir ihn. Er riß einem das Schwerd aus der Hand, aber ſeine Kräfte ſind ſtumpf. Wir konnten's ihm 15 leicht aus den Händen winden. Konrad. Hat er nicht am Wege gemerkt, wohin ihr ihn brächtet? Hauptmann. Oh ſein Herz ſcheint ſo gepreßt von Leiden, und ſein ganzes Denken ſo ſehr damit beſchäftigt, daß er 20 nicht einmal um ſich ſah. Wie er auf die Mühle kam, war er ſo matt, daß er gleich niederſank und einſchlafen wollte. Wir wollten ihn aufs Müllers Bett bringen, er wollte nicht, und ſagte, er habe auf der Erde gelegen, ſeitdem er ausgeſtoſſen; wollte auch drauf ſterben. Auf die harte Bank 25 legte er ſich, ſein weißes majeſtätiſches Haupt in Veits Hände. — Oh Fürſt! Konrad. Halsſtarrig, immer auf ſeinem Kopf! — Reitet ihm entgegen! es geht auf die Nacht. (ab) [164] Normann. Wenn die mich verſtanden haben, könnteſt 30 du den Weg ſparen. 95 Zweyter Auftritt. platz vor einer Rühle. Mörder. 1. Mörder. Ich kanns nit. 2. Mörder. Ich auch nit; mich hat nie was ſo gejammert. 5 1. Mörder. Um ſo ein bisgen Geld — mir wird angſt, wenn ich dran denk. 2. Mörder. Gott bewahre mich, ich hätt keine Ruhe mehr. Gebhard. (der ihnen zugehört.) Er mag ſein Geld be— halten! Ich kanns auch nicht. Er ſieht ſo ehrwürdig heilig aus, daß mirs ohnmöglich fällt. 1. Mörder. Hat er euch auch gedungen? Biſt du von der Profeſſion? Gebhard. Freylich. Er ſchickte mich nach, und ſagte, er wollte mir eben ſo viel geben, als euch. Sind unſrer noch mehrere? 165] 2. Mörder. Noch zwey. Sie ſind noch zweifelhaft; doch ſind ſie härter, wie wir. Ich kanns nit, und gäb er mir die Welt. Hab ſchon manchem die Gurgel abgeſchnitten, aber da mag ich mich nit dran machen. 20 1. Mörder. Wer wird das auf ſeine Seele nehmen? Mir wärs, als hätt ich meinen Vater umgebracht. 2. Mörder. Will lieber zehn andre todtſchlagen. Was hilft das auch all, was uns der Pfaff geſagt? Gebhard. Einen ſo gütigen Herrn! 25 1. Mörder. Das iſt er! Wir würden ewig verdammt ſeyn. Das Blut käm doch allein über uns, und er wüſche die Hände. 2. Mörder. Was Graf Normann nur davon hat, daß er dem alten Mann das bisgen kurze Leben nicht gönnt? 30 1. Mörder. Sie haben was zuſammen; mags auch ſeyn, was es will! 2. Mörder. Wir wollen hinauf. Die Nacht kommt. — 0 — 5 36 [v,2. Mich deuchts, giebt Sturm heunt Nacht; ſieh, wie ſich's Gewölk zieht, dort pechſchwarz! [166] Gebhard. Halt Recht. Wie heißen die andern? 1. Mörder. Hat ers euch nicht geſagt? Der rothe Chriſtoph, 5 und der braune Hans, dem die Haar jo in die Höh ſtehn, ſind zwey wilde Kerls, die einen für einen Groſchen todt⸗ ſchlagen. Gebhard. Werdet ihrs thun? 1. Mörder. Ich nit, ſeh ich ihn an, fällt mirs Meſſer 10 aus der Hand, als wär ich vom Blitz getroffen. 2. Mörder. Geht mir auch ſo. Gebhard. Rudolph! Rudolph! — nun kann ich frey athmen. Das habt ihr mit ihm vor! Rudolph! Bluthund, ſchändlicher Bluthund. Ein Mörder, der von Kinds Beinen 15 nichts gethan, als gemordet, der ſchaudert zurück! — Rudolph! wo der Junge iſt? wenn ich ſie angrif? ein Haufen, der einem Roland zu ſchaffen machte — es iſt zuviel aufs Spiel geſetzt — und ſollte mein Pferd von Otto niederfallen, er ſoll mir hin. Rudolph! 20 Audolph. Was willt du denn wieder? ich bin müde. 167] Gebhard. Nimm meinen Gaul! reit ihn todt; nur mach, daß du zu Karl kommſt, ſonſt iſts um's Herzogs Leben gethan. Rudolph. Deinen Gaul? Nun, das muß Eil haben! 25 Gebhard. Lieber Rudolph, du erretteſt des Herzogs Leben und Karls. Eil, ſag ihm, er ſolle aufbrechen noch in der Nacht auf Rothenburg. Normann hätte Mörder auf des Herzogs Leben beſtellt, ich wachte mittlerweile. Sag ihm, wo wir jetzt ſind. Und daß wir bey kommender Nacht weg 30 müſſen. l Audolph. Und ſollt's mein Leben koſten. Am Wald, zwey Stunden von hier liegt er wohl jetzt? Gebhard. Er hat ſich weiter gezogen. Eil! Eil! 97 Dritter Auftritt. Stube in der Mühle. Herzog (auf einer Bank ſchläft.) Veit (unterjtügt ſein Haupt.) Reutersknechte. Gebhard (tritt herein; ſchleicht ſich zu Hans und Chriſtoph, die mit einander geheim reden, etwas entfernt 5 von den andern.) 168] Hans. Auf'm Weg, denk ich! Christoph. Meyn's auch. Müſſens gut abpaſſen. Für das, was er giebt, kann mans ſchon. Hans. Auf'm Weg denn! 10 Gebhard. So hat er mirs auch befohlen. Chriſtoph. Dir? Hans. Biſt auch mit? Kenn dich nit. Gebhard. Werdt's bald. Der Graf hat mich nachgeſchickt. Hans. Halt dich an uns! 15 Gebhard. Still. Er erwacht. Herzog. l(ängſtlich ſchlummernd, fährt auf.) Konrad! Konrad! — — eil, eil dich — — — — gieb mir nur einen kleinen, kleinen Stoß, jo bin ich todt. — — — — ? kur einen kleinen, ein alter Mann iſt ja gleich todt. — Oh. 20 Veit. Gnädiger Herr! Herzog. Iſt er wieder fort? Veit. Er war nicht da. Herzog. Da ſtund er grimmig, iſt er weg? 169] Veit. Ja, gnädiger Herr! 25 Herzog. Iſt er gewiß weg? lüg nicht, Veit! wär's doch beſſer geweſen, er hätts gleich gethan, als daß er wiederkommt. War Adelbert auch da, Veit? Veit. Nein, gnädiger Herr! Herzog. Nimm meinen Mantel da, und wenn er kommt, 30 deck mich zu, recht zu. Deck mir den Kopf zu, daß ich nichts ſeh. Hörſt du, Veit? aufs Geſicht, und ſag ihm, er ſolls thun, nur daß ich nichts ſeh. Litteraturdenkmale des 18. Jahrhunderts. 1. 7 98 Veit. O lieber Herr! Herzog. Vergiß nicht, mit dem Mantel! Veit. Habt ihr gut geruht? Herzog. Armer Narr, er war ja da, und du redſt von 5 Ruh. Ich will beten, und hier nicht wieder aufſtehen. Ruf mir den armen Gorg; er konnte ſo ſchön beten, war ſo ge⸗ ſchlagen wie ich. Wo iſt er? Veit. Er kommt. Herzog. Iſts Nacht, Veit? 10 Veit. Bald, Herr, ſchon neigt ſich die Sonne. 170] Herzog. Wie meine Kräfte. Doch kommt ſie wieder, leuchtet mit neuer Kraft, ich auch. Ich zerfalle jetzt, verlier das Thätige und Kräftige ganz, komm doch wieder neu hervor. Gütiger Gott! mein letztes Nachtgebet. (betet ſtill, ſieht ſich 15 drauf um) Wer ſind die? Veit. Eure Begleiter. Herzog. Geht, lieben Leute, was wollt ihr bey mir? Ich kann euch nichts geben, hab alles verlohren bis auf ein bisgen Leben, das ſich ſchon neigt. Geht! was könnt ihr 20 gegen den Haufen. Veit. Wenn er's wüßte! Chriſtoph. Wir müſſen fort, gnädiger Herr, es geht auf die Nacht. Herzog. Wohin? Wohin? 25 Cphriſtoph. Macht Herr, wir haben jo lang gewartet, bis ihr ausgeruht; jetzt iſts Zeit! Auf die Nacht ſollt ihr beſſer ruhen. Gebhard (vor ſich.) Oder ihr. Herzog. Ich geh hier nicht weg. 30 Chriſtoph. Ihr müßt! Herzog. Geh mir aus den Augen. Veit ſtoß ihn hinaus! er iſt einer davon. Geht er nicht? Helft mir auf! — ich will V, 4. ] 99 171] Veit. Ihr könnt nicht auf. Herzog. Was! Hauptmann (kommt.) Hauptmann. Gnädiger Herr, habt ihr ausgeruht? Herzog. Laß mich! Hauptmann. Wir müſſen weiter, giebt einen entſetzlichen Sturm. Der Himmel zieht ſich fürchterlich zuſammen. Herzog. Wie viel ſind euer? Hauptmann. Vier und zwanzig. Herzog. Wäret ihr alle vor wenigen Tagen kommen, ihr 10 hättet mich nicht von der Stelle bracht. Nun kommt! kommt! Wartet er mit Gift auf mich? Sag ihm nur, er brauchs nicht. Vierter Auftritt. Lager. Karl. Ludwig. v. Hungen. 15 Karl. Mein kleiner treuer Haufen! Ludwig. Was macht das, Karl? gerechte Sache und Muth! v. Hungen. Und deſto mehr Ehr, Prinz! Ich bin ein Lehrling; ein unverſuchter Anfän- 172] ger. Je ſtärker die 20 erſte Probe, deſto mehr Luſt. Man lernt auf einmal, was man im Katzengebalg nach und nach lernt. Mir ſchwebt mein Vater immer vor Augen, und deuchts mich immer, er rief mir zu mit ſchwacher Stimme. — Vor einiger Zeit ängſtete michs, daß ichs nicht aushalten konnte. Seys wie's will, 25 ich wills zur Aufmunterung annehmen. Karl. Stellt euch nichts Trauriges vor! Man gewinnt immer dabey. Seyd ihr lange von Haus? Hungen. Nicht gar lange. Aber ſo lange doch, daß Unglück gnug kommen kann. 30 Karl. Beruhigt euch! 100 Hungen. Das will ich. Karl. Mir iſt fürn Gebhard angſt. Hungen. Er wirds gut machen, ich ſahs ihm an. Fünfter Auftritt. Rothenburg. Normann. Habt ihr ihn nicht geliefert, weh euch! Der Eine Streich verfehlt! Nein, er darf, kann nicht leben. Er würde alles rückgängig machen, und da läge der weitausſehende Plan, 10 mir wäre wie einem, der den Augenblick den Himmel heiter mit unbefangenen Blicken ſah; Wetterwol- [173] ken erheben ſich plötzlich, reißen ihm das Helle vor den Augen weg, und er fällt in Finſterniß zurück. — — Es muß ſich alles drehen, und wenden, dem Gedanken entgegen arbeiten? — Den Ge⸗ 15 danken aus meiner Seele zu reißen! aufgeben! — nimmer. Groß, groß! gröſſer! Das Ziel übertreten, gar keins haben und haben wollen. Da Ziel, Beſtimmung, wo das größte? — — Geht Menſchen euren Schneckengang; taumelt zurück, wenn einer Rieſenſchritte über euch alle hinaus macht! Eine 20 kleine Grafſchaft — hier ein weites, großes Herzogthum — und warum nicht? Wach Geiſt! ihr meine Kräfte auf! Konrad. Habt ihr die Nachricht gehört, Normann? Normann. Was? iſt er da? Konrad. Der Karl, Morgen früh haben wir ihn. 25 Normann. Wenn wir ihm Zeit laſſen. Je früher, je beſſer! Gut, daß er kommt. Es gilt um ein Herzogthum, und wer da feyert, Prinz! Adelbert. Hauptmann. Der Herzog! 0 Normann. Da? Konrad. Hats Lermen gegeben? Hauptmann. So wenig wie Todte machen. or v. 6. 101 [174] Normann. Iſt er todt? Hauptmann. Wenig Unterſchied zwiſchen ihm und einem Todten. Alles Leben iſt von ihm. Schwach und ohnmächtig trugen wir ihn hieher, manchmal ſchlägt er die Augen auf — Oh, ſeht ihn ſelbſt! Normann. Iſt er da? Hauptmann. Prinz, ich fürcht, er überlebt es nicht, ſieht er euch. Konrad. Wir wollen weg. Bringt ihn zur Ruhe, und bleibt bey ihm! Morgen will ich ihn ſehen. Hauptmann. Dem Anſchein nach wird er was beſſers ſehen. O Anblick! wie ers Haupt ſinken läßt! Koſtbarer Herr, ſie haben dich geliefert. (Veit und Gebhard führen den Herzog vorbey.) Sechſter Auftritt. Uacht. Otto. So iſts? Gebhard. Bey meiner Seel und Liebe zu euch; kein falſches Wort! Otto, wenn ich euch zeigen könnte, wies jetzt in mir iſt, da ich euch ſeh. Lieber Otto, ſeht nicht wild, ihr könnt alles gut machen. Laßt mich euer Geſicht nicht umwölkt ſehn. Lieber Otto, hört das Bitten [175] eines armen Jungen! Hört, wie euch Karl liebt, und zeither litt, immer ſagte, mein rechter Arm iſt weg. Wenn ich den Mann wieder hätte. — Er weinte oft. Otto. Lüg nicht; lüg nicht! hah! — — — ich muß ihm Luft machen. Gebhard. Wenn wir ſo dachten, alles ſey erlogen und erdichtet, um euch von uns abzubringen. Wie leicht es ſey, einen rechtſchaffnen Mann, der hitzig auf ſeine Ehre hält, den eine kleine Beleidigung aufbringt, wie leicht es ſey, einen ſolchen Mann zu hintergehn. Und denn euch als einen Mit- verſchwornen gegen des Herzogs Leben, ein Mitverſchworner, 10 15 20 or — D 20 35 En be. Karln ſtürzen zu helfen — — — Otto! groſſer Mann, nehmt die volle Liebe Karls wieder! er trägt ſie euch durch mich an, kommt und ſeht, wie ſie euch hintergangen haben in allem. Otto. Brich los, Zorn! Wuth! aller verderbender grim⸗ miger Zorn, der je im Menſchen war, ihn zu Mord und Greuel antrieb, hauſe, wüthe in mir! Verblend meine Augen! Mein Hirn will ich ausſchlagen, kommt mir ein andrer Ge⸗ danke als Blut, blutige Rache und Mord. Und, hab ich volle gnügende Rache, jo drück mirs Herz ab! geſchändet will ich nicht leben. So geſchändet! [176] (ſchlägt ſich vorn Kopf und ſtampft) wo warſt du Elender? du Weib, das du dich ſo ſchändlich betrügen ließt? ein Weib, ein ſchwaches Weib hätte ſtärker gehalten, mehr unterſucht, als du. So! 5 jo! wie ein Vogel in die Falle gelockt. — — — Halt feſt! ſo will ichs machen. Gebhard. Laßt euch erbitten; nur bis Morgen Aufſchub! Otto. Geh du kaltblütiges, gallloſes Geſchöpf, ich haſſe dich und alle Welt. Warten? den Zorn wegvernünfteln? auf was warten? daß ſie das leichtgläubige Weib noch ein⸗ mal betrügen? Ein Augenblick Verzug, und die Wuth, der Durſt nach übervoller Rache brächte mich ums Leben. Nein! Nein! — — geh zu Karl, ſag ihm, ich wollte ihn rächen, und mich. Denn ſollte er mich nie mehr ſehen, kein Menſch. 5 — Mich ſollten fie ſehn, mit Fingern auf mich zeigen, jagen, das iſt er! das iſt er! Gebhard. Wenn Karl jemals euer Freund war — Otto. Schweig! Hochzeit haben ſie gemacht. Gebhard. Hochzeit! wer, Otto? Otto. Ich wills wegwiſchen! mögen ſie! Geh zu Karl! Hah! halt, du könnteſt auch ein Verräther ſeyn, ich will keinem Men- 177] ſchen mehr trauen. Warte! (Donner und Blitz) kommt dir's auch? (Donner und Blitz) immer — noch. Hätt ich dich in meiner Gewalt. So — zertrümmere die Welt! du reizeſt meinen Grimm. Bleib du! W. 8. 103 Gebhard. Ich bin in eurer Gewalt. Otto. Du ſollſt ſehen. Blutdurſt leite mich! Raſerey! Raſe— rey! tobt, tobt, Elemente! vereinigt euch mit mir! Hah wie das haußt. Martern! martern! martern will ich ihn und ſie. (ab) Gebhard. — Hätt ichs ihm jagen ſollen? er hätt's nicht 5 verſchwiegen. Eile Karl, und führe dich Gott! Jetzt iſt die Stunde da. Rudolph muß angelangt ſeyn. Karl, dieſe Nacht giebt dir deinen Vater und deine Ruh. Siebender Auftritt. Herzog. Kanzler. Veit. 10 Herzog. Wie dunkel vor meinen Augen! oh! oh! es zerſchneidet mir das innre Kanzler. Was fehlt euch? Herzog. Unausſprechliche Marter! reißt mir die Decke von den Augen, die dicke ſchwarze Decke! Huh! wie mirs durch die Adern lauft; durch die Gebeine! oh helft, helft! Veit. Hülfe! Hülfe! Kanzler. Lieber Herr! 178] Herzog. Tod! Tod! brennend verzehrend Feuer in mir! — * Achter Auftritt. 20 Normann in Kleidern auf einem Ruhebette. Donner und Blitz. Nacht. Otto ſtürzt herein. Otto. Wo biſt du? Normann! Normann! Komm, bet nicht, Normann, es hilft deiner verfluchten Seele doch nichts! Verdammt ſollſt du ſeyn! 25 Normann. Was fehlt euch, Otto? Otto. Die Briefe erſt! Normann. Briefe? Otto. Wiederhohl nichts! Die Briefe! (ſetzt ihm das Schwerdt auf die Bruſt) Die Briefe von Karl! heraus! heraus! 30 Normann. Raßt ihr? Rh... „&e ms Otto. Ja, ja, blutige Raſerey. Gieb die Briefe Haft du Briefe? Normann. Nein. Otto. Keine? Es hilft dir nichts! du könnteſt den 5 Teufel betrügen. Wie der Kerl daſteht! Hier kommſt du nicht weg. Die Briefe! oder ſtundenlangen Tod ſollſt du ſterben. Die Briefe! Haſt du Briefe? Normann. Wartet! bis morgen, will ich's euch erklären. 179] Otto. Spottſt du meiner? Nein, Teufel, du ſollſt mir 10 nicht loß! Mein Schwerdt nicht eher von deinem Herzen. — Du hatteſt kein Mitleiden mit mir, da ich herum zog wie ein Schatten. Normann. Hülfe! Hülfe! Otto. Haſt du Briefe? 15 Normann. Ja, Otto! Otto. Und gabſt ſie nicht? Normann. Hülfe! Hülfe! Mörder! Otto. Haſt du Mörder auf des Herzogs Leben beſtellt? Was lang Fragens! Aus mit dir! Denk nicht an Gott. 20 Huh! zum Teufel mit dir! Tiefer, eine kleine Spanne. Ha! wie er quakſt. Biſt du ſtill! Normann. Hülfe! Veit. Der Herzog ſtirbt. Hülfe, Otto! Otto. Was iſt ihm? 25 Normann. Gift in der Abendſuppe, von mir. Oh! Veit. Gott! (rennt weg) Otto. Thatſt du das? Bey meiner Seel ein ſchöner Schwanengeſang. Gift! (verſetzt ihm mehrere Stöße) Gift! und nur Ein Leben. Oh daß du tauſend hätteſt und ich 0 Jahrlang an dir morden könnte. Gift gabſt du ihm, und ſchon todt? Ich Beſtie! — Der greulichſte Böſewicht, und ſchon todt! Vier Mörder hatt er auf ſein Leben beſtellt, ein edler Burſche ſtürzte ſie vom Pferd, und todt! v. 9.) 105 180] Konrad. Was vor Lärmen, Otto? Otto. Bleibt zurück, junger Herr, nicht ſo feurig, oder ihr könnt mitreiſen! Kennt ihr den? Konrad. Was habt ihr gemacht? Otto. Den hab ich gekitzelt da, und er iſt geſtorben davon, 5 ich möchte raſend werden! Der Kerl kann gar nichts ver— tragen. Nur ein Stoß, und todt. Er vergiftete deinen Vater, und todt! Konrad. Wer ſagte das? Otto. Gift! er ſagts, hörſt du den Lärmen, das Geheul? (Lärmen und Trometen) Inwendig. Fackeln! Fackeln! (laufen Reuter) Karl. (kommt) Wehr! Wehr! die Mauren erſtiegen. (das Wetter dauert fort) 15 Konrad. Karl! mein Vater, Gift! (ab) Otto. Eine ſchöne Nacht! es hört noch nicht auf! der Himmel iſt grimmig. — — In Rhein mit dir, Giftmiſcher! Mordhund! kriegſt wahrhaftig den Schnuppen nicht, ſollſt auch nicht frieren. Zum Fenſter naus mit dir Aas! ha, 20 ha, ha. (wirft ihn hinaus) Platſch. Karl. Ludwig. Und Viele. Karl. Nun ſind wir da, Otto! Gott ſey Dank. Führ mich zu meinem Vater! Wo iſt mein Vater? Otto. (Keine Antwort. Sein blutiges Schwerdt betrachtend.) 25 181] Karl. Lieber Otto! Beit. Prinz! Prinz! der Herzog ſtirbt, will denn kein Menſch helfen? — 0 (alle ab) Neunter Auftritt. 30 Hof. Konrad. Adelbert. v. Hungen. Gebhard. Konrad. Zu Pferd! Zu Pferd! 106 [V, 10. Adelbert. Durchgehauen! durchgehauen! ſchlagt euch durch! v. Hungen. Gebhard. Wo find fie? Adelbert! Mord- hund! Fackeln! Zehender Auftritt. 5 Otto. Laß mich kühl werden, und Geduld faſſen! Geduld! — — Ein geſchändeter Mann alſo; ein geſchändeter Mann! Was iſt das? O frag nicht, fühls ganz in dir! Oh meine Seele, du haſt das brennende nagende Bewuſtſeyn, das mich foltert und wahnſinnig macht. Luft will ich dir machen; keine Welt kanns auslöſchen. Ein geſchändeter Mann — alles verlohren! — Speyt mich an, Menſchen! Narren, ich hab's längſt gethan, und doch will ich's keinem rathen. Ge— duld! — Nun denn, ich will mich ſelbſt richten, und unpar⸗ 5 theyiſch. Wie könnte ich partheyiſch ſeyn? Hier, hier liegt 182] die Verdammung. Durch deine Treuloſigkeit geſchah alles. Wie dann? Hah! ſagſt du mir das? Kann mans ſo auslöſchen, und auslöſchen, daß keine Spur, kein Andenken mehr davon bleibt? Hier Ende, dort auch? Keine Antwort? (fühlt ſich an Puls) Hier ſchlägt's — ja — hören dieſe Schläge auf, iſts Stillſtand, ewig Stillſtand, dort wie hier? Keine Antwort? Weg mit dem verfluchten Philoſophiren! ich philo- ſophirte mir den Verſtand weg. Alſo das ſagſt du mir? Dank dir für den ſchönen flügelgebenden Gedanken! Die 25 Welt verdammt dich, aber umfaſſen will ich dich, wie der Bräutigam ſeine junge Braut in erſter Jugendhitze. Klammre dich feſt an mein Herz — kühl will ich bleiben, die That kühl thun. Aber darf man? ſoll man? Oh ſo fragt der kaltblütige Vernünftler! Komm du ſchaales Geſchöpf, nimm meinen gekränkten Geiſt, mein leidendes blutendes Herz, meinen Wahnſinn — und denn — der Schande entgehn — — er ſah mich freundlich an, und ich verſetzte ihm den tödtlichſten Streich. Armer Karl! wie ſie weinen und ſchreyen! An allem bin ich ſchuld, ich half ihm Gift geben, ich Elender! 35 Elender! ich kanns nicht aushalten! (zieht das Schwerdt) das mi oO — w S 3 — vu BE... 208 Blut muß ich abwiſchen. (wiſchts an Mantel) So! (ein ſtarker Donner) Ein fürchterlicher [183] Schlag, eine fürchterliche Nacht! Hah wie ſie ſchreyen und winſeln! Geduld! ich geh aus. (erfticht ſich) Gott erbarme ſich meiner! Eilfter Auftritt. Herzog. Karl. Ludwig. Veit. Kanzler. Karl. Mein Vater! Mein Vater! Oh dies iſt der Tag, den ich von Gott erbat mit heiſſen Thränen. Endet er ſo? Redet mit mir! Sagt, ihr ſeyd mein Vater noch. Herzog. Du biſt mein lieber Karl, hätt ich dich nicht verkannt. Vergiß es — kalt, eiskalt, mich ſchaudert — Todesſchauder! Laß mich in deinen Armen ſterben; und Gott ſegne dich, edler Sohn! Sie haben eine Scheidewand zwiſchen uns gejtellt. — — Gütiger Gott! — — Der giftige Tod läuft mir durch die Gebeine. Karl. Oh mein Vater! ich laß euch nicht! fällt ihm um den Hals) Herzog. Du küſſeſt den Tod von meinen Lippen. Den giftigen Tod. — Geh Karl! lieber Karl, küß den Tod nicht von meinen Lippen! Karl. Laßt mich mit euch ſterben! Herzog. Räch deinen Vater an Adelbert! Schone des böſen Bruders; er ward verführt. Nimm ihm alle Macht, Böſes zu thun! [184] Hungen. (kommt) Er iſt durch, der Adelbert, der Mord— hund, mit dem Prinzen. Karl. Meine Rache folgt ihnen. Mein Vater! Herzog. Nimm mich in deine Arme, und laß mich drinnen ſterben! Oh ein harter Stoß. — — Karl, nimm mir die Decke von meinen Augen, die ſchwarze Decke nimm weg — — ſo, noch einmal ſeh ich hell, ganz hell, und meine Seele — — — mein Leben wäre noch wenige Stunden geweſen, die haben ſie mir mißgönnt. Was hab ich gelitten! Dank * — 0 15 25 BR} use V. 11. ſey Gott, daß es aus, iſt! Und du, Karl! Gott ſegne dich dafür, lieber Karl, er ſegne Giſella, dein Weib, euch alle! — Oh! Karl. Er iſt todt. 5 Herzog. Wie viel Uhr ifts? Karl. Mitternacht, mein Vater. Herzog. Neu kräftig ſteig denn empor, unſterblicher Geiſt! — So, drück mich feſt an dein Herz, lieber Karl! Weine nicht. — Oh mein Herz! Gott ſegne euch! Drück mich feſt, 10 Karl! Oh — (ttirbt) Klinger, Friedrich Maximilian von Otto, Trauerspiel PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY